Fotos: Guido Erbring, Köln
Dieser Artikel erschien in der colore #oxydorange
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Beinahe mittig in Deutschland liegt das neue hôtel villa raab im hessischen Alsfeld. Der einladende Erholungsort ist neben seiner Altstadt mit beeindruckenden Fachwerkbauten auch für sein Märchenhaus und seine geheimnisvollen Figuren und Markierungen an Gebäuden und in den Straßen bekannt. Nicht überraschend also, dass die Architekten von Schmidt & Strack gerade hier ein Hotel errichtet haben, in dem es sich märchenhaft träumen lässt.
Wie oft plant man als Architekt denn ein Gebäude, durch das ein Wasserfall fließt?! So etwas kannten wir ja zuvor nur von Frank Lloyd Wright mit 'fallingwater' ...
Architekt Karsten Schmidt
In nicht einmal zehn Minuten hat man fußläufig die verwunschene Innenstadt von Alsfeld hinter sich gelassen, um in das nächste zauberhafte Ensemble aus historischer Villa, verschlungenem Mühlgraben und erlesenem Neubau einzutauchen. Am südlichen Stadtrand, mit Blick auf die umliegenden Wiesen und Felder, glänzen die drei neuen Hotelgebäude um die Wette. Das liegt auch an ihren feinen Fassaden, die auf sehr dezente und moderne Art und Weise die stadtprägenden Fachwerkstrukturen farblich interpretieren und sich an den Stil der ehemaligen Mühlengebäude anlehnen.
Weißer Strukturputz und braune Kupferbleche werden so zu flächigen, akzentuierten Anknüpfungspunkten an vergangene Zeiten. Während in den zwei vorderen Gebäuden die 38 Gästezimmer verortet sind, beherbergt der zurückversetzte Bau die Empfangs- und Tagungsräume. Auch architektonisch hebt sich Letzterer mit seinem Flachdach und der detailliert perforierten Kupferblechfassade von seinen beiden Satteldach-Nachbarn ab. Das Material Glas wird dabei zum verbindenden Element.
Mit dem verglasten Atrium des Eingangsgebäudes beginnend, werden alle drei Gebäude durch Brücken und Stege aus Glas-Stahl- Konstruktionen miteinander verbunden. Diese ermöglichen eine Gebäudekonstellation, bei der die drei einzelnen Bauten so arrangiert und zueinander platziert werden konnten, dass selbst der Bachlauf des Mühlgrabens einen Weg in das Zentrum der Komposition findet.
Diese Besonderheit kann "den Hotelgast fast ein wenig an Venedig erinnern, wenn er im Verbindungsgang zwischen den beiden Hotelgebäuden steht und durch die verglasten Flächen auf den Bachlauf hinuntersieht", so Architekt Karsten Schmidt, denn der Mühlengraben windet sich nun mittig zwischen den Gästehäusern hindurch und verbindet die damalige mit der heutigen Zeit fließend.
Nach den Entwürfen von Brillux und des Architekturbüros Schmidt & Strack gestalteten wir mit unseren Mitarbeitern das Muster mit spezieller Textur für den 'Alsfelder Besenstrich', wie wir ihn nannten.
Malermeister Florian Fleischmann
Bereits 1895 sah der Horndreher Ludwig Raab das Potenzial des Standortes und verlegte seine Produktionsstätte für Pfeifen und Stöcke in ein hier bereits beheimatetes Fabrikgebäude. So konnte vor allem die Wasserkraft des Baches effizient für die Produktion genutzt werden. Auch wenn das Unternehmen in den 1950er-Jahren eingestellt und das baufällige Fabrikgebäude abgerissen werden musste, war es den Architekten von Schmidt & Strack ein Anliegen, die Historie des Ortes einzubeziehen und ihren Stil neu aufleben zu lassen.
Zwar hat die Kraft des Wassers für den Hotelkomplex nicht den Stellenwert, wie es seinerzeit der Fall war, aber der Bachlauf steht doch im Zentrum der Neugestaltung – wörtlich und im übertragenen Sinn. Denn auch die Ausgestaltung der Zimmer basiert auf den Farbgebungen von Pfeifen und dem Element Wasser. Neben historischen Bildmotiven dominieren hier braune und blaue Farbtöne die Ausstattung der Einzel- und Doppelzimmer. Weiche und natürliche Materialien sowie fließende Möbelsilhouetten erzeugen zudem eine warme, einladende Atmosphäre. Durch diese Art der Kombination wird ein frischer, moderner Eindruck vermittelt, der zugleich mit einem Gefühl von Tradition und Bodenständigkeit einhergeht.
Die Intention, Historisches neu zu interpretieren und so den Charme von Vergangenem mit den Vorzügen der Moderne zu verbinden, möchte Geschäftsführer Bastian Heiser dabei auch weiterhin verfolgen. Zusammen mit den Betreibern des im Nachbarort gelegenen "Hôtel Schloss Romrod" soll so ein Ort entstehen, bei dem gerade für Hochzeiten und auch Tagungen die Gäste anspruchsvolles und ehrliches Ambiente mit elegantem, modernem Design genießen können. In Verbindung mit der angrenzenden, aufwendig sanierten "Villa Raab" im Jugendstil steht diesem Anliegen nichts entgegen.