Dieser Artikel erschien in der MarktImpulse 1/20
Fotos: Daniel Elke
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Bei der Wienfort GmbH in Herten packt der Seniorchef gemeinsam mit seinem 59 Jahre jüngeren Enkel an. Das Familienunternehmen verschönert für die Profis des FC Schalke 04 die Kabinen und lackiert in seinem zweiten Betrieb Autos in ausgefallenen Farben.
Adam Rajab steht am Empfangstresen und bespricht mit seinem Chef Björn Wienfort einen Auftrag. Der Geselle soll mit seinen Kollegen am kommenden Tag einen Boden beschichten. Rajab legt schon mal das Werkzeug zusammen – unter anderem ein Flächenrakel. "Der Griff sitzt aber etwas locker", stellt der 27-Jährige überrascht fest. Als Seniorchef Rolf Wienfort das hört, fackelt er nicht lang und zückt eine Zange: Der 83-Jährige nimmt die Flächenrakel, entfernt einen Stift und setzt einen neuen ein. "Damit könnt ihr wieder arbeiten", sagt er zufrieden. Adam Rajab lächelt und bedankt sich.
Später möchte ich den Laden genauso erfolgreich führen wie meine Eltern und Großeltern.
Eike Wienfort, Juniorchef
Diese Szene beschreibt das Arbeitsklima bei der Wienfort GmbH sehr gut. Beim Familienunternehmen aus der Ruhrgebietsstadt Herten arbeiten die Generationen zusammen und helfen einander. Die jungen Mitarbeiter profitieren von der Erfahrung ihrer älteren Kollegen. Umgekehrt sind die Etablierten offen für Verbesserungsvorschläge. Björn Wienfort klopft Adam Rajab anerkennend auf die Schulter: "Er hat immer innovative Ideen, die uns im Alltag weiterhelfen", betont der 51-jährige Inhaber.
Beim Rundgang über das Firmengelände erzählen Björn und Rolf Wienfort, wie es 1933 mit der Wienfort GmbH begonnen hat. Damals machte sich Björn Wienforts Opa Clemens selbstständig, schnell folgten Aufträge in der Region. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, musste Clemens Wienfort an die Front. Er geriet in Gefangenschaft und erkrankte. Er kam zwar wieder ins Ruhrgebiet zurück, doch starb bereits im Jahr 1950. Wie auch heute stand die Familie damals zusammen: Witwe Erna führte den Betrieb mit vier Mitarbeitern fort, während Sohn Rolf im Alter von 14 Jahren seine Lehre in einem anderen Betrieb begann. Der Hertener war fleißig und malochte viel – er transportierte damals noch die schweren Farbeimer mit einem Handkarren zur Baustelle.
Damit haben wir schon für Gesprächsstoff in der Nachbarschaft gesorgt.
Björn Wienfort, Geschäftsführer
Rolf Wienfort blieb ehrgeizig und bildete sich ständig weiter. Im Alter von 20 Jahren konnte er bereits den Meisterbrief in Empfang nehmen und das Familienunternehmen übernehmen. "Ich war in der Region der jüngste Meister überhaupt", erinnert sich Rolf Wienfort. An einem Treppenaufgang hängt das eindrucksvollste Zeugnis seiner Handwerkerkarriere: der Diamantene Meisterbrief, den Rolf Wienfort 60 Jahre nach seiner erfolgreichen Prüfung überreicht bekam.
Die Wienforts blicken auf eine lange Tradition zurück, sind dabei jedoch stets offen für Neues. So gestalteten sie 2018 die Fassaden der Firmengebäude neu. Der orangefarbene Schriftzug passt zum Anthrazitton. Der Clou ist das eingesetzte Spiegelgranulat. Wenn die Sonne auf die Fläche scheint, dann glitzert es. Wer also im Sommer von der Hauptstraße aus auf das Gebäude blickt, sieht einen Welleneffekt. "Damit haben wir schon für Gesprächsstoff in der Nachbarschaft gesorgt", sagt Björn Wienfort schmunzelnd, während er eine Hallentür öffnet. Es hängt der Geruch frischer Lackfarbe in der Luft. Fünf Pkw stehen in dem großen Raum. Die Fahrzeuglackiererei gehört ebenfalls zur Wienfort GmbH. Als das Unternehmen 1973 seinen Standort aus dem Stadtteil Westerholt an die Steverstraße verlegte, baute Rolf Wienfort diesen Geschäftszweig mit seiner Frau Doris auf.
Aktuell arbeiten zehn Mitarbeiter in der Fahrzeuglackiererei. Das Team beseitigt oft Spuren von Unfallschäden. "Das macht in diesem Bereich rund 80 Prozent der Aufträge aus", erklärt Björn Wienfort. Immer mal wieder wünschen sich Kunden auch spezielle Sonderlackierungen – für das Unternehmen eine rollende Reklame, die auf den Straßen im Ruhrpott viele Blicke auf sich zieht.
Björn Wienfort erblickt seinen Mitarbeiter Wladimir Schefer und ruft ihm zu: "Alles klar bei euch?" Schefer grinst und hebt den Daumen, bevor er sich wieder einem dunkelblauen Mercedes widmet. Malerbetrieb und Autolackiererei arbeiten unabhängig voneinander, doch es entstehen Synergieeffekte: Als die Maler beispielsweise die Fassade eines Objekts gestalteten, wollte derselbe Kunde auch seine Möbel lackieren lassen. Ein Transport wäre zu aufwendig gewesen. Also kamen Kollegen aus der Autolackiererei zur Hilfe und finalisierten kurzerhand den Auftrag vor Ort.
Als Björn Wienfort die Halle wieder verlässt, fährt sein Sohn Eike auf den Parkplatz. Er steigt aus und begrüßt erst mal seine Mutter, bevor er oben in sein Büro verschwindet. "Wir sehen uns gleich. Ich muss noch kurz ein paar Mails schreiben", sagt Stephanie Wienfort, die sich im Familienunternehmen um die Auftragsplanung kümmert. Hund Emma, ein Jack-Russell-Terrier, flitzt Eike Wienfort hinterher, der aus seinem Fenster auf die große Halle blickt. "Ein paar von denen kenne ich schon, solange ich denken kann", erzählt der 24-Jährige, als seine Kollegen mit ihren Transportern von der Baustelle zurückkehren.
Ich habe mich für mehr junge Frauen im Unternehmen stark gemacht.
Stephanie Wienfort, Geschäftsführerin
Schon als Kleinkind rannte er mit dem Pinsel durch die Halle. Trotzdem fand Eike Wienfort erst über Umwege zum Handwerk. Er modelte, wollte in der Modebranche arbeiten. Doch die oberflächliche Laufstegwelt gefiel ihm irgendwann nicht mehr. "Ich habe dann ein Jahrespraktikum in einem Malerbetrieb gemacht. Und das hat mir richtig gut gefallen", erklärt Eike Wienfort diese Kehrtwende. Er begann eine Handwerksausbildung und machte nach zwei anstatt der vorgesehenen drei Jahre seinen Abschluss. "Später möchte ich den Laden genauso erfolgreich führen wie meine Elternund Großeltern", sagt Eike Wienfort. Die Familienmitglieder hören solche Worte gerne. Besonders Rolf Wienfort macht es glücklich, dass nun bereits die vierte Generation als Maler arbeitet. Zurücklehnen will sich der Seniorchef aber noch lange nicht. "Es gibt ja noch immer viel zu tun", sagt er.
Das Unternehmen arbeitet in erster Linie für öffentliche Auftraggeber. Die Wienfort-Mitarbeiter streichen Fassaden von Krankenhäusern, verpassen Schulen einen neuen Farbton und sind vor Ort, um Bürokomplexe zu modernisieren. Als die Oper Wuppertal komplett saniert werden musste, bekam das Hertener Unternehmen den Zuschlag. Auch der Neubau der Fachhochschule Düsseldorf trägt den Pinselstrich der Wienfort GmbH. Über ein kürzlich realisiertes Projekt redet Björn Wienfort besonders gerne. Im Herbst 2019 bekamen die Umkleidekabinen beim Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 einen neuen Anstrich. Wenn sich die Stars um Spielmacher Suat Serdar vor einem Spiel umziehen, blicken sie auf frisch gestrichene Wände in einem königsblauen Ton. An den Wänden prangen Wörter wie "Treu", "Wild", "Mutig" und "Stolz" in fetten Lettern.
Mir gefällt es hier. Ansonsten wäre ich wohl nicht mehr als 30 Jahre hier.
Frank Zandorf, Altgeselle
"Das haben meine Leute gemacht", sagt der Firmenchef stolz, der selbst Fan vom FC Schalke 04 ist, über die Auftragsarbeit. "Die blaue Gestaltung des Spielerganges sowie weitere Teile in der Arena beruhen auf Ideen unsererseits", sagt Björn Wienfort. Wenn die Spieler durch den Tunnel einlaufen, passieren sie kurz vor dem Rasen ein Wandgemälde, das den Anschein macht, als würden sie durch einen Bergmannsstollen schreiten.
Wer solche Aufträge an Land zieht, braucht ein großes Team. Um die 60 Mitarbeiter beschäftigt der Betrieb. Ein Großteil der Mitarbeiter kommt aus Herten und den umliegenden Städten. "Mir gefällt es hier", sagt der Altgeselle Frank Zandorf. "Ansonsten wäre ich wohl nicht mehr als 30 Jahre bei einem Arbeitgeber geblieben." Auch das Thema Ausbildung ist den Wienforts wichtig. Acht Plätze haben sie derzeit besetzt. "Ich habe mich für mehr junge Frauen im Unternehmen stark gemacht", betont Stephanie Wienfort.
Mit Erfolg. Noch vor fünf Jahren machten sich ausschließlich Männer auf den Weg zur Baustelle. Jetzt steigen morgens auch vier Frauen in die Transporter. Eine von ihnen ist Vanessa Adamietz. Sie begeisterte sich schon in der Schule für Malen. Deshalb suchte die Hertenerin einen Ausbildungsplatz in einem kreativen Handwerksberuf und fand ihn an der Steverstraße. "Sie ist mit so viel Leidenschaft dabei", lobt Stephanie Wienfort. Die junge Auszubildende möchte später auch die Meisterschule besuchen. Und wer weiß: Vielleicht kann Vanessa Adamietz in naher Zukunft schon ein Design von Meisterhand entwerfen.
Das Unternehmen hat sich an Rhein und Ruhr einen Namen gemacht. 1933 von Clemens Wienfort im damals eigenständigen Westerholt gegründet, zog der Betrieb 1973 an die Steverstraße in Herten. Die Maler kamen rum – arbeiteten auf Baustellen von Schleswig- Holstein bis Bayern. Mittlerweile konzentriert sich der Bereich auf Nordrhein-Westfalen – hier gibt es für die rund 60 Mitarbeiter genug zu tun.