Dieser Artikel erschien in der MarktImpulse, Ausgabe 2/17
Bestellen Sie die Printausgabe per E-Mail an: kontakt@brillux.de
Fotos: Torsten Helmke
Wer zu einer Verabredung um zehn Uhr um fünf vor zehn erscheint, hat eigentlich keinen Grund, sich zu entschuldigen, bloß weil der Gast zufällig schon um viertel vor eintraf. Es sei denn, man ist ein besonders höflicher und zugewandter Gastgeber.
Der Besuch hat es sich gerade gemütlich gemacht im gläsernen Empfangsbereich der Firmenzentrale in Bochum, nur ein paar Taximinuten vom Hauptbahnhof entfernt, nippt am Cappuccino, den die fürsorgliche Mitarbeiterin soeben vor ihm platziert hat, und ist im Begriff, die in einer Vitrine ausgestellte historische Schreibmaschine genauer in Augenschein zu nehmen, da ist Christian Mohr auch schon da: "Verzeihen Sie die Warterei, aber mein Termin hat länger gedauert als gedacht."
Der Geschäftsführer der Gerhard Mohr Malerwerkstätten Bochum verkörpert das, was man so unter "natürlicher Autorität" versteht. Athletischer Typ, über 1,90 Meter groß, optimistisch, schwungvoll. Personen mit seiner Präsenz können leicht einschüchternd wirken. Doch bei Christian Mohr ist das anders. Er zeigt echtes Interesse am Gegenüber und wenn er lächelt, und das passiert im Verlauf des Tages oft, funkeln die Augen mit.
In dritter Generation führt Christian Mohr, 48, den von seinem Großvater Gerhard im Jahr 1923 gegründeten Betrieb, den sein Vater Dr. Gerd-Bernd Mohr von 1967 an über drei Jahrzehnte lang erfolgreich leitete. Die Gerhard Mohr Werkstätten beschäftigen zurzeit an den Standorten Bochum, Marl, Mittweida und Münster 177 Mitarbeiter.
Beim Rundgang durch das labyrinthische Gebäude kommt es immer wieder zu gelassenen Plaudereien. Eine Erkundigung hier, ein kleiner Scherz da. Dieses Klima von heiterer Produktivität prägt den Betrieb von Anbeginn. Vom Großvater Gerhard Mohr, der ihn 1923 gründet, stammt der programmatische Satz: "Wer schaffen will, muss fröhlich sein."
Die Annahme, dass dieses mit Leben gefüllte Motto mithalf, die Firma erfolgreich durch nunmehr 94 Jahre zu führen, dürfte mehr sein als nur Spekulation. Bilder aus der Anfangszeit zeugen von ausgelassenen Firmenfeiern mit Saxophon, Ziehharmonika und Banjo. Die Liebe zur Musik transportierte die Familie Mohr übrigens über die Generationen. Katrin und Christian Mohrs drei Töchter spielen alle ein Instrument: Bratsche, Cello und Querflöte.
Heute beschäftigt Christian Mohr allein an seinem Stammsitz in Bochum 130 Mitarbeiter, aufgeteilt in sieben Teams, die sich weitgehend selbst organisieren. Das Haus besteht aus einem für den Neuankömmling etwas unübersichtlichen Geflecht aus Haupt- und Nebenfluren.
Mit jedem Wachstumsschub wurde der Firmensitz erweitert. Momentan wird der erste Stock renoviert und ausgebaut. "Wäre ich alleine hier, ich bräuchte Brotkrumen für den Rückweg", kommt es dem Besucher in den Sinn. Neben dem Stammhaus gehören Standorte in Münster, Marl und Mittweida in Sachsen zur Unternehmensgruppe der Gerhard Mohr GmbH. Bis zu hundert Baustellen werden zeitgleich betreut.
Dass über den größten Kunden, den Mischkonzern Evonik, weniger als sechs Prozent des Umsatzes der Gerhard Mohr GmbH generiert werden, ist dabei kein Zufall. "Eine gewisse Kleinteiligkeit", ist Christian Mohr überzeugt, "macht unabhängig."
Eine andere strategische Entscheidung besteht darin, sich nicht an den "Unterbietungswettbewerben" der öffentlichen Hand zu beteiligen. Sein Rezept gegen unseriös niedrige Kostenvoranschläge: "Man sollte den Billigsten einfach rausschmeißen." Dann wären alle Bewerber gezwungen, sauber zu kalkulieren, so seine Hoffnung. Preisdumping ist hier besonders ärgerlich.
Die Gerhard Mohr GmbH hält mit umso präziserer Projektplanung dagegen. "In diesem Bereich sehe ich noch Potenzial für uns. Das Ziel ist nicht unbedingt, schneller zu werden, dafür aber effizienter." Christian Mohr hat ein Faible für Zahlen und Daten. "Ich ärgere mich natürlich über rote Projektzahlen", bekennt er wenig überraschend, "aber wenn Rechnungen nicht aufgehen – das macht mich wahnsinnig!" Und schiebt den Grund hinterher: "Man kann nichts verbessern, ohne den Fehler zu kennen."
Mit Beharrlichkeit und auch mit Hilfe von zum Teil selbst entwickelten EDV-Programmen fahndet Christian Mohr nach Optimierungsmöglichkeiten im betrieblichen Ablauf. "Die Prozente, die wir dabei einsammeln, sind mitentscheidend für unseren Erfolg."
Obwohl Arbeitstage von zwölf Stunden keine Seltenheit sind, schafft er es doch, intensiv am Familienleben teilzunehmen. Mittags nimmt er sich in aller Regel eine Stunde frei, um daheim mit seiner Frau Katrin und den Töchtern Hannah, 15, Christina, 11, und der siebenjährigen Luisa zu essen.
Das Wohnhaus der Familie ist nur wenige hundert Meter entfernt. Auch seine Eltern und zwei seiner drei Schwestern leben ganz in der Nähe, die dritte in Gelsenkirchen. "Hier fühlen wir uns wohl, hier gehören wir hin", sagt Christian Mohr, der abgesehen von einem Austauschjahr in den USA und dem BWL-Studium in Bayreuth sein ganzes Leben der Gegend um die Bochumer Kohlenstraße treu geblieben ist.
Mit der jüngsten Tochter ist er morgen am späten Vormittag verabredet. Denn um 11:30 Uhr muss Luisa zum Zahnarzt und vielleicht braucht sie Beistand. Da ist kein Termin wichtiger. Und wer ihm, der im Urlaub alle geschäftlichen Anrufe umleiten lässt, zuhört, wenn er vom gemeinsamen Campingwochenende mit Tochter Christina beim Sommerfest eines Freundes in Limburg erzählt oder vom behutsamem Warten am Dreimeterbrett, bis Luisa sich zum Sprung durchringt, der sie für das silberne Jugendschwimmabzeichen qualifiziert, dem ist klar: Christian Mohr mag ein Zahlenmensch sein. Ein Familienmensch ist er schon lange.
Und zur Familie gehören auch die Mitarbeiter. "Jeder, der bei uns arbeitet, hat ein Recht darauf, bei uns glücklich zu sein. Dies zu ermöglichen ist Teil meiner unternehmerischen Verantwortung", betont Christian Mohr.
Wenn es stimmt, dass die Verweildauer im Betrieb Aufschluss über die Mitarbeiterzufriedenheit gibt, ist diese hier in Bochum-Weitmar-Bärendorf besonders hoch. Eine Familie (Vater, Tochter, Enkel) ist in drei Generationen vertreten. Und einer blieb sogar für kaum vorstellbare 76 Jahre: Heinrich Eichenauer begann 1937 mit 14 Jahren hier seine Malerlehre und blieb bis zu seinem Tod 2013.
"Raue Schale, weicher Kern", erinnert sich Christian Mohr liebevoll an den einzigen Mitarbeiter, von dem er sich im Stammhaus duzen ließ. "Als ich die Geschäftsführung übernahm, entschied ich mich aus grundsätzlichen Erwägungen für das wechselseitige 'Sie', aber Herr Eichenauer entschied sich aus sicherlich ebenso grundsätzlichen Erwägungen dagegen. Ein Gespräch mit ihm konnte in etwa so ablaufen: Ich: 'Seien Sie froh, Herr Eichenauer, dass Sie jeden Tag Treppen steigen müssen, das hält jung.'. Er: 'Da könntest du recht haben, Christian.'"
Auch heute deckt nicht jede Kirchenarbeit die Kosten. Aber es zählen eben auch andere Dinge.
Christian Mohr, Geschäftsführer
Neben sämtlichen Maler- und Lackierarbeiten zählen auch Metallbeschichtungen, Betonreparaturen und Glasarbeiten zum Leistungsspektrum, das sich immer wieder neu an den aktuellen Marktbedürfnissen ausrichtet. Und natürlich die Kirchenrestaurierung. "Dies ist besonders meinem Vater immer ein Herzensanliegen. Auch heute deckt nicht jede Kirchenarbeit die Kosten", bekennt Christian Mohr, der studierte Ökonom, mit leisem Lächeln. "Aber es zählen eben auch andere Dinge."
Der Abriss der Kirche Vierzehnheiligen 2014 hat insbesondere seinen Vater sehr getroffen. Gerd-Bernd Mohr, der die Firma von 1967 an jahrzehntelang erfolgreich führte, kämpfte als ehemaliger Kirchenvorstand bis zum Schluss mit Leidenschaft für den Erhalt. Dieser Blick über den Tellerrand des betriebswirtschaftlichen Kerns ist Teil der Firmenphilosophie.
So ist die Gerhard Mohr GmbH in vielfältiger Weise engagiert. Sei es karitativ oder im Sponsoring. Christian Mohr sitzt unter anderem im Vorstand der regionalen Malerinnung, im Aufsichtsrat der Volksbank Bochum-Witten, ist in der Stiftung des Klosters Stiepel oder dem Rotary-Club in Bochum-Hellweg aktiv und gehört der Jury des Brillux Design Awards an.
Und als Gesellschafter der Bochum-Marketing kann er sich über die Tatsache, dass die Deutsche Bahn Bochum nicht mehr mit dem ICE anfährt, fast ebenso ärgern wie über nicht zusammenpassende Zahlenkolonnen.
Und wie entspannt einer wie Christian Mohr? Beine hochlegen? Er läuft! Und auch dies natürlich nicht ohne Ehrgeiz. Unter zehn bis zwölf Stundenkilometern macht er es nicht. "Christian, kannst du nicht mal normal laufen?", fragte ihn seine Frau einmal. Nein, natürlich nicht.
Und auch die jährlichen Touren mit seiner Rennradgruppe sind mitnichten entspannte Vergnügungstouren, sondern Rennfahrten von bis zu 150 Kilometern. Im Herbst geht es durch die Pyrenäen, auf den Spuren der Tour de France. Wie immer mit einem stattlichen Quäntchen Wettbewerb. Aber immer auch: mit einem Lächeln in den Augen.