Fotos: Christian Eblenkamp
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Das Quartier Lenkwerk in Bielefeld entwickelt sich seit 2011 stetig. Rund um das 1938 gebaute und heute unter Denkmalschutz stehende ehemalige Bekleidungsamt der Luftwaffe östlich der Innenstadt wurde mit sechs modernen Bürogebäuden und Wohnhäusern ein ganz neues Viertel geschaffen.
Projektentwickler Christoph Borchard, Geschäftsführer der Borchard Group in Bielefeld, hatte damals eine Vision von den schon sehr verfallenen Gebäuden und realisierte peu à peu, Gebäude für Gebäude, seinen Traum. An seiner Seite: Frank Stopfel, Geschäftsführer von Stopfel Architekten und Architekt in dritter Generation. Zusammen initiierten und realisieren sie bis heute diese Revitalisierung.
Mit dem kürzlich entstandenen Lenkwerk Plaza wurde auch die zweite Reihe rund um das Zentrum mit den historischen Gebäuden aus Backstein komplettiert. Zweite Reihe? Nicht wirklich. Frank Stopfel und seinem Team gelang es, die Kubatur, die Form und Ausrichtung des Bürogebäudes so zu konzipieren, dass es aus der ersten Reihe nur etwas entrückt zu sein scheint. Es gibt keine wirkliche Rückseite, und die "Schokoladenseite" ist eindeutig zur Lenkwerk-Achse orientiert – anstatt zur rückwärtigen Erschließungsstraße.
Die Fassade des viergeschossigen Gebäudes (plus Staffelgeschoss) Am Lenkwerk 9 besteht zu einem Drittel aus einer Aluminium-Glas-Fassade und zu zwei Dritteln aus einer WDVS-Fassade mit Fenstern. Frank Stopfel hat die Hybrid-Fassade in enger Zusammenarbeit mit dem Malerbetrieb Nattkemper + Brummel GmbH und dem Beraterteam von Brillux entwickelt. Geschäftsführer Thorsten Brummel beschreibt die Ausgangssituation so: "Aus Kostengünden konnte keine durchgängige Aluminiumfassade realisiert werden. Daher haben wir so viel Energie investiert, um eine gestalterisch und bauphysikalisch gute Lösung zu entwickeln, die nicht nach einem Kompromiss aussieht. Wir haben sehr konzeptionell gearbeitet."
Ich bin ein Verfechter von großzügigen Treppenhäusern, die von außen ablesbar sind. Gerade bei Bürogebäuden, in denen verschiedene Nutzer unter einem Dach untergebracht sind, ist es wichtig, eine hohe räumliche Qualität im Eingangsbereich und auf den Verteilerebenen zu erzielen. Je wohler sich die Mieter fühlen, desto länger bleiben sie.
Architekt Frank Stopfel
Die ganze Fassade ist ein Prototyp, der durch detaillierte Planung und schließlich durch im Maßstab 1:1 gebaute und im Bielefelder Büro ausgelegte und montierte Fassadenteile realisierbar wurde.
Die Bautiefe des Wärmedämmverbundsystems musste hergestellt, die Kammstruktur aufgezogen, Farbmuster erstellt werden. "Die größte Herausforderung war bei diesem Projekt sicher, eine identitätsstiftende Fassade zu entwickeln, die technisch zeitgemäß, handwerklich anspruchsvoll und so gut realisiert ist, dass in ein paar Jahren auch alles noch gut aussieht und funktioniert", beschreibt Frank Stopfel seinen Anspruch.
Die Bänderwirkung aus der Aluminiumfassade sollte sich übergangslos in die WDVS-Fassade entwickeln – und das ohne den geringsten Absatz in der Fläche. So wurden Brüstungs- und Sturzflächen glatt verputzt und die Pfeiler mit einer Kammstruktur des Putzes gestaltet. Dieses Putzrelief erzeugt einen filigranen Schattenschlag, macht die Flächen insgesamt etwas dunkler und setzt sich stärker ab von den glatten Putzflächen. Durch die dunkel wirkenden Fenster entstand schließlich die gewünschte Bänderwirkung.
"Klar hätten wir auch alles glatt verputzen können und durch einen dunklen Anstrich eine ähnliche Wirkung erzielen können – aber es wäre dann eher Dekoration. Wir wollten nicht nur einen optischen, sondern auch einen haptischen Kontrast mit Tiefenwirkung", erklärt der Architekt. Es ist eine Fassade geworden, die allen Beteiligten viel Kreativität, höchsten Anspruch und kooperatives Handeln abverlangte.
Die Grund- und Brüstungselemente sind werkseitig gefertigt und vor Ort montiert worden. Die Sonnenschutzelemente sind integriert, auf die Trägerplatten ist der Putz mit Kammstruktur aufgetragen worden.
Architekt Frank Stopfel
Angesichts der Vielzahl der an Stellwänden hängenden Pläne im Bielefelder Architekturbüro – voller Linien und Bemerkungen, voller Farben und Hinweise – drängte sich förmlich die Frage auf, wie denn das Verhältnis sei zwischen 2D- und 3D-Zeichnen, händischen Skizzen und persönlichen Absprachen auf der Baustelle. "Für mich ist die Digitalisierung immer schon ein fester Bestandteil des Architekturmachens gewesen. Auf der Baustelle allerdings zählt noch immer das Ausgedruckte, das mit hinzugefügten und auf unebenen Untergründen gekritzelten Skizzen Lösungen schafft."
So spricht ein Architekt der alten Schule, aber auch ein Architekt der neuen Zeit, der anhaltenden Werte und des immerwährenden Anspruchs an ganzheitlich geschaffene bauliche Qualität.