Fotos: Sigurd Steinprinz, Düsseldorf
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Wer bei Vorfertigung an starre Systeme denkt, wird bei diesem ganzheitlichen Wohnkonzept eines Besseren belehrt. Um den Wohnungsmarkt zu entspannen, hat die Bundesregierung gemeinsam mit der Forschungsinitiative "Zukunft Bau" das Programm Variowohnen konzipiert. Darauf aufbauend haben ACMS Architekten aus Wuppertal diesen Gebäudekomplex aus drei Winkeln entwickelt, die in ihrem Nutzungsverlauf nachhaltig ganz unterschiedliche Wohnkonzepte ermöglichen.
Dass es sich bei dem Baugrundstück um ein ehemaliges Bergbaugelände handelt, ist ein Ausgangspunkt, der im Vorfeld bereits einige Herausforderungen mit sich brachte. So mussten mehrere der lokalisierten Flöze – Schichten des Kohlebergbaus – teilweise aufgefüllt werden, um das Gelände entsprechend zu sichern. Für die verantwortlichen Architekten von ACMS jedoch kein Grund, den Kopf in den Sand – oder besser gesagt in die Kohleschicht – zu stecken.
Architekt zu sein heißt auch, als Teil der Gesellschaft zu wirken.
Prof. Christian Schlüter
Denn die Architekten aus Wuppertal, die sich bereits seit mehreren Jahren mit experimentellen Wohnungsbauten beschäftigen und explizit Bauprojekte bearbeiten, die auf ein hohes Maß an Vorfertigung ausgelegt sind, sehen ihre Kernkompetenz in der ganzheitlichen Baubetreuung. "Wir legen besonderen Wert auf die Durchgängigkeit der Bearbeitung in allen Leistungsphasen, vom Konzept über den Entwurf bis hin zur Ausschreibung und Objektüberwachung", so Manuel Heywinkel, der die Bauleitung dieses Projekts innehatte. Einen weiteren Vorteil stellt auf jeden Fall der Rückgriff auf die Erfahrungen des Büros im Bereich der Vorfertigung und der damit einhergehenden Tragstruktur dar. Denn die vorgefertigten Module in Holzbauweise konnten hier vor allen Dingen mit ihrem geringen Gewicht punkten. Zusätzlich wurde die gesamte Tragstruktur elementiert, als hybrides Mischsystem verbaut und die vorgefertigte Gebäudehülle gerüstlos montiert. Das ist nicht nur ein Pluspunkt in Bezug auf die vorliegende herausfordernde Geländebeschaffenheit, sondern optimierte auch die Montagezeiten und die damit einhergehenden Kosten.
Der Rohbau selbst besteht aus Beton-Fertigteilstützen, flächenbündigen Stahlunterzügen und weit spannenden Spannbetonhohldielen. Auf diese Weise benötigt das Gebäude nur wenige Stützen im Innern, die Grundrisse bleiben frei von tragenden Wänden und zugleich flexibel für spätere Umnutzungen. Zwar wurde zum Zeitpunkt der Planung die Erstnutzung als Wohnraum für Studierende festgelegt und auf dieser Basis Grundrisse für 258 Student/-innen entwickelt, doch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist ein Wohnkonzept für ältere Menschen ebenfalls eine denkbare Alternative.
Entstanden sind Apartments bis 20 m2 mit einem persönlichen Rückzugsraum, einer kleinen Küche und einem Badezimmer. Etwa ein Drittel der Wohnplätze sind dabei in 2er- bzw. 4er-Wohngemeinschaften organisiert. "Wir haben das Achsmaß des Weiteren so konzipiert, dass ebenfalls eine divergente Nutzung, wie beispielsweise eine Büronutzung als Umnutzungsszenario, möglich ist", so Heywinkel. Um diese Flexibilität mit einem hohen Grad an Vorfertigung bestmöglich kombinieren zu können, setzen die Architekten sowohl auf eine Vorfertigung hinsichtlich der Komponentenebene – das heißt Tragwerk, Gebäudehülle und technische Funktionseinheiten wie z. B. Sanitäreinheiten – als auch auf die Vorfertigung ganzer Räume.
So wurden in den Rohbau vorgefertigte Badmodule in Stahlbauweise eingebracht. Dies beschleunigte nicht nur den Innenausbau, sondern stellte auch das Ausführungsniveau hinsichtlich der hohen Qualitätsanforderungen in Bezug auf die Abdichtungen sicher. Die Außenwände wurden als vorgefertigte Holztafelwände inklusive Fenster, Fassadenbekleidung und einer dezentralen Lüftungsanlage konzipiert. Ein Ansatz, der einerseits im Vorfeld zwar einen höheren Planungsaufwand erforderte, als es bei vergleichbaren Projekten der Fall ist, aber durch die Art des Wandaufbaus mit geringerer Bauteildicke andererseits auch kostengünstiger als ein vergleichbarer Massivbau war. Zudem wurde auf diese Weise die CO2-Bilanz reduziert, wodurch das Projekt den DGNB-Gold-Standard und für das Kriterium "Ökologische Qualität" den Platin-Standard erzielt.
Wir sind der festen Überzeugung, dass bei der Errichtung auch ein späteres Recycling mitgedacht werden muss.
Prof. Christian Schlüter
Der Aspekt der Nachhaltigkeit ist ACMS generell besonders wichtig. Bei diesem vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit geförderten Projekt offenbart sich diese Wertigkeit vor allen Dingen durch die CO2-Bilanz hinsichtlich des Einsatzes der Baustoffe und ihrer Verarbeitung sowie in Hinblick auf den Kreislaufgedanken möglicher Nachnutzungsszenarien. In der Regel werden bei jedem Bauprojekt trotz aller Nachhaltigkeitsgedanken in jeder Kreislaufphase neue Ressourcen benötigt.
Daher meint Prof. Christian Schlüter (Geschäftsführender Gesellschafter, ACMS Architekten), dass "das umwelttechnisch vorteilhafteste Szenario damit die direkte Weiternutzung von Gebäuden beziehungsweise möglichst großer Teile der Gebäudestruktur ist". Aus diesem Grund war es ACMS in Zusammenarbeit mit Prof. Friedrich Schmuck von Farb-Bau aus Dinslaken auch ein wichtiges Anliegen, für die Farbplanung und die anschließende Ausgestaltung auf Produkte zurückzugreifen, die sich durch Schadstofffreiheit auszeichnen. "Hier waren die Produkte von Brillux hervorragend geeignet", so Prof. Christian Schlüter.
Charakteristische Farbklänge erzeugen nun Raumatmosphären in den Flurbereichen, während sich die eigentlichen Wohneinheiten mit dezenten Farben und naturbelassenen Materialien zurücknehmen. An diesen Stellen entstehen intensive Interaktionen mit der umliegenden Natur, die viel Spielraum und Offenheit für die Wohnqualität ganz unterschiedlicher Nutzergruppen bieten. Insofern kann gerade der Einsatz von Farbe hier in mehrfacher Hinsicht den Nachhaltigkeitsgedanken aufgreifen und unterstützen.
Die Beton-Deckenflächen sollten im gesamten Gebäude in ihrem unbehandelten Zustand verbleiben. Um den Charakter der bestehenden Sichtbetonflächen zu unterstreichen, wurde zur Verfüllung der V-Fugen Briplast Fassaden-Spachtel leicht ELF 1883 von Brillux verwendet. An dieser Stelle ungewöhnlich, aber durchaus effizient, denn seine leichte Verarbeitung punktete hier vor allem aufgrund der zu verfugenden Menge von insgesamt 5 km Fugenlänge.
OBJEKT | STANDORT Variowohnen, Bochum
BAUHERR | NUTZER AKAFÖ – Akademisches Förderungswerk, A.ö.R., Bochum
ARCHITEKTEN ACMS Architekten GmbH, Wuppertal
FARBPLANUNG Farb-Bau, Prof. Friedrich Schmuck, Dinslaken
TECHNISCHER BERATER Andreas Schremb, Brillux Hagen
AUSFÜHRENDE MALERBETRIEBE Stromberg Oberflächentechnik GmbH, Duisburg Stuckwerk Kumkapi Stuckateurbetrieb, Hattingen
Die Farbtondarstellung am Monitor ist nicht verbindlich.