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So packen Sie's an

Fotos: shutterstock.com (Idea tank, Krakenimages.com, Nor Gal, Alberto Zornetta, GCapture, goir, 5 second Studio, aanbetta, Jr images, xpixel, Tharin kaewkany), Maren Ulbrich

Dieser Artikel erschien in der MarktImpulse 2/20

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Der Arbeitsort wechselt häufig, die Kundenwünsche variieren und jeder neue Auftrag bringt neue Herausforderungen mit sich: Arbeiten auf hohem Stresslevel ist für die Chefs von Handwerksbetrieben normal. Dennoch: Versuchen Sie ständig viele Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen, so können Sie auch als engagiertester Betriebsinhaber mal den Überblick verlieren. Wie man es als Chef schafft, in stressigen Zeiten cool zu bleiben und gleichzeitig Mitarbeiter und Kunden zufriedenzustellen, dafür hat Handwerksexpertin Maren Ulbrich jede Menge Tipps parat.

 

Sehr erfolgreiche Handwerksbetriebe formulieren überdurchschnittlich häufig ihre strategischen Ziele und Aufgaben schriftlich.

Quelle: INQA / psyGA. Oktober 2016

 

Bestimmt kennen Sie das: Sie wachen morgens auf und Ihnen fällt beim Duschen eine Idee ein, wie Sie die Arbeit an einer Baustelle am effektivsten umsetzen können. Doch kaum sind Sie durch die Eingangstür Ihres Betriebs getreten, klingelt das Telefon und einer Ihrer Mitarbeiter meldet sich krank. Während Sie Ihren Computer hochfahren und überlegen, wie Sie den Arbeitsausfall kompensieren, vibriert Ihr Mobiltelefon wieder: Ihr Geselle schickt Ihnen eine Kurznachricht. Im Lager ist keine Spritzspachtelmasse mehr aufzutreiben, obwohl die noch in dieser Woche gebraucht wird. Gleichzeitig kommen die ersten E-Mails an: Ein Kunde möchte wissen, wann er (endlich) mit einem Kostenvoranschlag rechnen kann. Jede Menge Aufgaben, um die Sie sich am besten gleich, – ach, sofort! – kümmern sollten, dabei hatten Sie sich für heute endlich die Mitarbeiterakquise vorgenommen, denn Sie brauchen ganz dringend wieder einen Azubi … Die Idee von heute Morgen, wie Sie die Baustelle am besten anpacken, ist da schon ganz weit weg.

Chef eines Handwerkbetriebs zu sein – das bedeutet, ein hohes Maß an Verantwortung zu tragen und viele unterschiedliche Aufgaben zeitgleich auf dem Schirm zu haben. Laut der Strukturumfrage des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) liegt die durchschnittliche Betriebsgröße eines Handwerkbetriebes bei sieben Personen. Während sich die Angestellten auf die handwerklichen Tätigkeiten konzentrieren, kümmern sich die Chefs bei einer solchen Betriebsgröße meist selbst um alle weiteren anfallenden betriebsbetreffenden Aufgaben. Und das sind viele, fasst Diplom-Ökonomin Maren Ulbrich zusammen. Die 41-Jährige coacht Inhaber von Handwerksunternehmen zu Themen wie Mitarbeiterentwicklung und Prozessplanung. Sie weiß, wie sehr Chefs im Arbeitsalltag mit einem "zu viel an gleichzeitig zu Erledigendem" kämpfen. Neben klassischen Führungsaufgaben wie Kalkulation oder strategischer Ausrichtung kommen noch das Baustellen-Controlling, der Materialeinkauf, die Kundenakquise und -betreuung, die Kapazitätenplanung und die Mitarbeiterführung hinzu. Wie sehr jemand diese Vielzahl an gleichzeitig zu erledigenden Aufgaben als Belastung empfindet, liegt sicherlich ein Stück weit in der persönlichen Natur des Einzelnen begründet. Jedoch: Wer permanent als Feuerlöscher für aktuelle Störfeuer im Einsatz ist, dem fehlt die Zeit, sich ausreichend um die langfristigen Ziele des Betriebs zu kümmern oder entspannt Luft zu holen und wieder Energie aufzutanken.

Nicht mehr als 24 Stunden

"Ohne diese Auszeiten geht es aber nicht," sagt Ulbrich. "Stress bedeutet im Endeffekt, dass Zeit fehlt." Und weil der Tag nur 24 Stunden hat, kommt es darauf an, die Zeit, die man zur Verfügung hat, bestmöglich zu nutzen. Die Expertin nennt das Strukturarbeit. Und die kann man lernen. Dafür muss man sich aber zunächst eingestehen, dass der aktuelle Stresspegel zu hoch ist. Zu dieser Erkenntnis gelangen viele Chefs aber gar nicht, erklärt Ulbrich. Weil sie schlicht zu wenig Zeit haben, um sich darüber Gedanken zu machen. Wer bei ihr zum Coaching antritt, hat den Impuls dafür häufig von Nahestehenden oder Mitarbeitern erhalten, die darum bitten, dass die Führungskraft doch mehr auf das eigene Wohlbefinden achten soll. Dabei gibt es durchaus auch Warnsignale für ein "zu viel", die man selbst erkennen kann: Wenn Sie es nicht mehr schaffen, einen Zahnarzttermin wahrzunehmen beispielsweise, oder Sie von Auftrag zu Auftrag hetzen, ohne die Zeit zum Rechnung stellen zu finden. Ein ganz profanes, aber valides Indiz, dass es einer Veränderung bedarf, ist das eigene Frühstück: Essen sie dieses erst zur Mittagszeit, läuft was schief.

 

Mitarbeiter, die sich von ihren Führungskräften wertgeschätzt und akzeptiert fühlen, haben Studien zufolge ein stärkeres Wohlbefinden und weniger körperliche Beschwerden als diejenigen, die das nicht tun.

Quelle: INQA / psyGA. Oktober 2016

 

Wohin des Weges?

Nichts schadet einem Team mehr als fehlende Kommunikation: Damit Ihre Mitarbeiter wissen, wo Sie mit ihnen und Ihrem Betrieb hinwollen, kommunizieren sie Ihre Ziele entsprechend. Etwa indem sie die strategischen Unternehmensziele wie 20 Prozent mehr Aufträge im nächsten Jahr schriftlich und für alle sichtbar fixieren. Legen Sie kleine, konkrete und machbare Zwischenetappen zum Gesamtziel fest und belohnen Sie die Mitarbeiter beim Erreichen dieser Zwischenziele, z.B. indem sie eine Betriebsfeier sponsern. Das motiviert.

Seien Sie streng mit sich

Sie sind der Chef. Sie müssen sich selbst erziehen, denn das wird niemand von außen für Sie übernehmen. Deswegen hinterfragen Sie sich selbst: Wie gehen Sie beispielsweise mit Ihrem Handy um? Legen Sie es in Besprechungen mit Ihrem Team zur Seite? Und wie sieht Ihr Schreibtisch aus? Können hier jederzeit Kunden vorbeikommen? Gute Führung bedeutet auch, ein gutes Vorbild zu sein: Deshalb zeigen Sie Ihrem Team was Sie von Ihnen erwarten, indem Sie mit gutem Beispiel voran gehen.

Jeder Pinsel hat seinen Platz

Stundenlanges Suchen hat ein Ende, denn alle Materialien erhalten einen festen Lagerplatz. Legen Sie Mindestlagerbestände fest. Jeder Mitarbeiter, der den Mindestbestand unterschreitet, trägt dies sofort in eine täglich zu kontrollierende, digitale Bestellliste ein. Investieren Sie in einen persönlichen Werkzeugkoffer für jeden Mitarbeiter und ordnen Sie alle enthaltenen Werkmaterialien mit einer Farbkennzeichnung einer Person zu. So vermeiden Sie unnötige Suchen und nehmen gleichzeitig Ihre Mitarbeiter in die Verantwortung.

Reden Sie miteinander

Planen Sie eine wöchentliche Teambesprechung mit vorher festgelegter Agenda und Dauer ein. Bitten Sie bereits im Vorfeld um konstruktive Beteiligung und schätzen Sie die Anmerkungen Ihrer Mitarbeiter wert. Dazu gehört es, die Kollegen zu ermutigen, auch offen Unsicherheiten oder Änderungswünsche anzusprechen. Neben den wöchentlichen Besprechungen können auch kurze morgendliche Besprechungsrunden im Stehen helfen, den Informationsfluss aufrechtzuerhalten. Ist das persönlich nicht möglich, bieten sich Mitarbeiterchats etwa per Whatsapp oder Onlinekalender an.

Entspannen Sie sich

Auch ein Chef kann im Urlaub zwei Wochen am Pool liegen und muss dabei nicht ständig nachfragen, wie es im Betrieb läuft. Voraussetzung hierfür ist eine entsprechende Vorarbeit. Dazu gehört es, sich zu Beginn des Jahres einen Erholungsplan zu machen und alle wichtigen Aufträge und Terminzusagen drum herum zu planen, eine passende Urlaubsvertretung mit notwendigen Vollmachten auszustatten und die Kunden vorab über die Abwesenheit zu informieren. Gönnen Sie sich neben diesen großen Auszeiten auch in der Woche Freizeit. Lässt sich die Wochenendarbeit nicht vermeiden, sollten Sie sich einen halben Tag in der Woche für Ihre Freunde oder Hobbys freihalten.

 

Beschäftigte, die ihre Führungskraft positiv bewertet, haben ein 2,5-Mal niedrigeres Stresserleben als Beschäftigte, die ihre Führungskraft negativ bewerten.

Quelle: INQA / psyGA. Oktober 2016

 

Raus aus dem Hamsterrad

"Stressbewältigung ist eine der wichtigsten Schlüsselkompetenzen von guten Chefs", sagt Maren Ulbrich, und diese zu lernen beinhaltet mehr als die Erstellung eines vernünftigen Essensplans. Weil es aber schwerfällt, die eigenen Strukturen umzustellen, während man sich gleichzeitig in ihnen bewegt, rät die Expertin zu einem Blick von außen. Den erhält man bei Netzwerktreffen von Gleichgesinnten, wie sie beispielsweise die Handwerkskammer anbietet, im Austausch mit anderen Betriebsinhabern oder durch professionelle Unterstützung in Form von Seminaren, Webinaren oder Coachings (ein solches hat zum Beispiel Malermeister Edgar Deinböck in unserer Reportage auf Seite 22 sehr geholfen). Tipps zum Struktur- und Selbstmanagement finden Sie auch auf diesen Seiten. Sie sind zum Ausschneiden und an die Wand heften gedacht, und sollen Ihnen dabei helfen, einen klareren Überblick über alle anstehenden Aufgaben zu gewinnen. Damit sie diese dann noch zielgerichteter, etwa durch den Einbau von Zeitfenstern für bestimmte Aufgaben, abarbeiten können. Wie hilfreich ein professionelles Management sein kann, zeigt unser Beispiel vom stressigen Morgen:

Wie wäre dieser mit einer vorausschauenden Struktur besser zu bewältigen gewesen?

Die gute Idee, die morgens beim Duschen entstand, hätte in Erinnerung bleiben können, wenn man sie sich direkt nach dem Duschen als Sprachmemo auf dem Handy abgespeichert hätte. Gäbe es in den Abläufen einen festen Zeitpunkt, zu dem man solche Memos bearbeitet, wäre sie nicht entwischt. Der spontane Ausfall eines Mitarbeiters, wäre leichter zu bewältigen, wenn mittels einer klaren Aufgabenverteilung und einem lückenlos geführten Online-Kalender sofort klar ist, welche Kunden und Aufgaben vom Ausfall betroffen sind. Dank eines solchen Kalenders wäre auch sichtbar, welche Mitarbeiter im Urlaub oder beschäftigt sind und wer ggf. freie Kapazitäten hat und für den kranken Kollegen einspringen kann. Den Engpass bei der Spritzspachtelmasse hätte eine akribisch geführte Materialienliste, in der Mindestlagerbestände festgelegt sind und bei deren Unterschreitung sofort eine Bestellung erfolgt wäre, verhindert. Die Azubisuche, die schon lange überfällig ist, wäre rechtzeitig erfolgt, wenn man sie sich mittels eines Jahresplan entsprechend terminiert und so zum Beispiel rechtzeitig Anzeigen geschaltet hätte. Auch kann es bei der Mitarbeiterakquise helfen, wenn man die eigenen Mitarbeiter in einer der regelmäßigen Besprechungen über die Suche informiert. Vielleicht kennt ja jemand einen passenden Kandidaten?

 

Maren Ulbrich hilft Inhabern von Handwerksbetrieben bei der Optimierung des Arbeitsalltags. Für von Corona betroffene Betriebe bietet sie vom Bundesamt geförderte Beratungen an.

Ihr Buch "Der stressfreie Handwerksbetrieb" ist seit Mai als Hörbuch erhältlich.

 

Eine Sprechstunde für die Mitarbeiter

Zudem passiert in unserem morgendlichen Szenario alles zeitgleich: Das Handy klingelt, E-Mails trudeln ein und gelesene Kurznachrichten schreien nach einer schnellen Reaktion. Die Expertin rät dazu, dem Drang, alles gleichzeitig zu beantworten, zu widerstehen und sich stattdessen klare Zeitfenster zu setzen, wann man sich welchen Aufgaben, wie der Bewältigung von E-Mails oder dem Lesen von Handynachrichten, widmet. So empfiehlt Ulbrich, die Aufgaben in kommunikative und konzentrierte Arbeiten zu bündeln und Sprechzeiten für die Mitarbeiter und ihre Anliegen einzurichten. "Obwohl die meisten Chefs denken, dass das nicht klappt, funktioniert das in der Umsetzung hervorragend. Damit zeigt man letztlich seinen Mitarbeitern auch eine größere Wertschätzung, weil man sich gezielt Zeit für ihre Angelegenheiten nimmt und dann aktiv zuhört und sich darauf konzentriert."

Aufgaben wie die Erstellung eines Kostenvoranschlags auf dem in unserem Beispiel die Kunden schon zu lange warten, sollten zudem mittels einer Prioritätenliste (A) wichtig und dringlich, (B) wichtig, aber nicht dringlich, (C) dringlich, aber nicht wichtig, (D) weder wichtig noch dringlich, in den Tagesplan aufgenommen werden. Diesen erstellt man am besten am Abend des Vortages. Jene Aufgaben, die eine hohe Priorität haben und nur vom Chef erledigt werden können, sollten dann in den konzentrierten Arbeitsphasen gezielt und ungestört abgearbeitet werden (siehe dazu auch: Interview zum besseren Delegieren, S. 52). Ulbrich rät, einen solchen Tagesplan nur zu 60 Prozent mit Aufgaben zu belegen und 40 Prozent als unverplante „Pufferzeit“ zu reservieren, dazu gehören auch mindestens 25 Minuten Abstand zwischen zwei gesetzten Terminen oder Aufgaben.

Gute Chefs bleiben cool

Das mag zunächst viel erscheinen, aber weil man die geplante Zeit effektiver nutzt, bekommt man mit dem mehr an freier Zeit sogar mehr erledigt. Neben den Tipps, wie man seine Zeit effektiv plant und seinen Arbeitsalltag optimiert, ist es Ulbrich wichtig darauf hinzuweisen, dass man sich im stressigen Arbeitsalltag nicht auch noch mit der Änderung des eigenen Verhaltens stressen sollte: Jeder Chef, der sich überhaupt die Zeit nimmt, sich mit den Strukturen auseinanderzusetzen, hat schon den ersten Schritt zur Verbesserung getan. Und "Manches muss man 30, manches muss man 60 Mal anders machen, bis es in der Routine angekommen ist", ermuntert die Expertin.

Generation Brückenbauer

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