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Neue Denkwege entdecken

Titelfoto: Till Schuster, Dresden

Dieser Artikel erschien in der colore, Ausgabe 16

2007 startete die Leuphana Universität in Niedersachsen mit dem deutschlandweit ersten Konzept des fachübergreifenden angloamerikanischen College-Systems. Nun wurde das auf dieser Idee fußende Zentralgebäude der Hochschule eröffnet.

Man könnte sagen, das Zentralgebäude der Leuphana Universität sei die gebaute Umsetzung des inhaltlichen Konzeptes der Hochschule: Neue Perspektiven finden, Neugierde wecken, forschen, entdecken und vernetzen – zu all dem möchte die Universität ihre Studierenden anregen.

Und genau das wollte auch Stararchitekt Daniel Libeskind mit seinem dekonstruktivistischen, nahezu 90-Grad-Winkel-freien Bau bewirken: die Hochschule als Ort, der Menschen zusammenbringt, um Gewohntes zu überdenken, Dinge zu hinterfragen und gemeinsam neue Wege zu finden. Zudem sollte der futuristische Bau mit seiner freien Architektur einen Kontrapunkt zu der militärischen Architektur der ehemaligen Kasernengebäude setzen, in dem die übrigen Hochschulräumlichkeiten untergebracht sind.

 

"Sehr spannend war für uns die Auseinandersetzung mit dem Ort des ehemaligen Kasernengeländes und seiner militärischen Vergangenheit, um hier die richtige Antwort für das neue Zentralgebäude zu finden. Und auch die Herausforderung des vielteiligen Raumprogramms mit Seminar-, Forschungs-, Studierendentrakt und dem Auditorium in enger Zusammenarbeit mit den Beteiligten zu definieren und in der von uns entworfenen komplexen Kubatur zusammenzuführen, hat uns großen Spaß gemacht. Das Entdecken neuer Zusammenhänge in Forschung und Lehre stand dabei unserer Entwurfsidee Pate. Die Farbgestaltung hatte für uns einen hohen Stellenwert. Die roten Flächen haben wir dabei so eingesetzt, dass zum einen das Auditorium rot eingefasst ist, zum anderen all jene Flächen eingefärbt wurden, die parallel oder in Verlängerung zur Außenwand liegen, sodass sie immer im Verhältnis zur Gebäudekubatur stehen. Nicht zuletzt dient das Rot auch der Orientierung."

Stefan Blach (Studio Libeskind) über Entwurfsphase und Farbgestaltung

 

Spannende Perspektiven

Die gewählte Architektursprache stammt eindeutig aus der Feder Libeskinds: Kippende Wände, trapezförmige, asymmetrische Treppenuntersichten und Fensteröffnungen sowie nicht zuletzt die Titanzinkverkleidung der Fassade erinnern auf den ersten Blick stark an das Jüdische Museum in Berlin oder das Royal Ontario Museum in Toronto.

Und doch sind diese typischen Gestaltungsmittel auch in diesem Projekt genau auf den Ort und vor allen Dingen die unterschiedlichen Funktionen des Baus abgestimmt. Betreten wird das Gebäude über eine ausladende Geste – vielfach in der Presse als Haifischmaul bezeichnet –, durch die die Besucher in das großzügige Foyer gelangen.

Hier kommen die unterschiedlichen Funktionsbereiche Seminar-, Studierenden- und Forschungs-Zentrum an der Basis zusammen und verbinden sich zu einer großen gemeinsamen Ebene, der bei Bedarf das Auditorium durch eine große Schiebewand zugeschaltet werden kann.

Immer wieder eröffnen sich dem Besucher des Gebäudes neue Perspektiven und es lohnt sich der Blick nach oben, wo sich spannende Blicke durch fast horizontal liegende Fensteröffnungen in den Himmel, aber auch entlang der Fassaden anderer Gebäudeteile mit wieder eigenen Formen auftun. Kein Raum wirkt wie der nächste durch die stets anders verlaufenden Raumkanten, Begrenzungsflächen und Fensteröffnungen.

Kräftige Farbakzente

Bei der Farbgestaltung spielt in dem gesamten Gebäude der von Architekt Libeskind geschätzte Rotton RAL 3013 eine wesentliche Rolle. Bereits im Foyer fällt er dem Betrachter sofort als Begrenzung des Auditoriums ins Auge. Aber auch in allen anderen Etagen begleitet der kräftige Farbton Besucher und Nutzer durch das Haus und dient ihnen zur Orientierung.

Und auch in Bezug auf die Farbigkeit ergeben sich immer wieder neue Perspektiven und Wirkungen: Mal tut sich eine große farbige Fläche auf, die beispielsweise in einem schmalen Flur so stark strahlt, dass sie den gesamten Raum in leicht rotes Licht zu setzen scheint, mal erscheint sie nur als kleiner Farbtupfer, da nur ein Stück einer roten Wand durch einen Durchgang sichtbar wird, wodurch punktgenaue Akzente gesetzt werden.

Eine besondere Farbwirkung erlebt der Betrachter im Auditorium: Die Wände mit eingeschnittenen Diagonalen erscheinen hier leicht golden schimmernd, sodass der Raum mit der rot bezogenen Bestuhlung fast an ein Theater erinnert.

Erzielt wird die Wirkung in erster Linie durch die Beleuchtung, denn bei der Wandverkleidung handelt es sich um einfache OSB-Platten und bei den Diagonalen tatsächlich nur um kastenförmige Einschnitte dieser Verkleidung mit innenliegender Beleuchtung.

Raumerlebnisse im Fokus

Nachdem der Bau lange Zeit wegen seiner viel diskutierten Investitionskosten von sich reden gemacht hat, ist es nun angenehm festzustellen, dass der Fokus des Interesses vermehrt der Architektur und Gestaltung des Gebäudes gilt, das nach wie vor viele Besucher anzieht.

Denn wenn auch die äußere Gestalt trotz ihrer Vielförmigkeit recht massiv in Erscheinung tritt, sind die Raumerlebnisse im Gebäudeinneren auf jeden Fall einen Besuch wert!

Außenansicht Fassade

Provokante Formensprache

Foto: Till Schuster, Dresden

Rote Akzente, Betonoptik

Neue Wege gehen und Gewohntes hinterfragen

Foto: Till Schuster, Dresden

Bühne, Beleuchtung, Sitzplätze

Leuchtende Diagonalen

Foto: Till Schuster, Dresden

Fensterscheiben hinter dünnen Säulen

Jeder Raum ist anders, jeder Blick spannend

Foto: Till Schuster, Dresden

Detailansicht, Betonoptik

Foto: Studio Libeskind, New York

Detailansicht Deckenbeleuchtung

Foto: Studio Libeskind, New York

Glänzende Außenfassade

Foto: Till Schuster, Dresden

Spannende Perspektiven

Foto: Studio Libeskind, New York

Fassade

Foto: Till Schuster, Dresden

Außenansicht, Himmel

Foto: Till Schuster, Dresden

Gestaltungsmerkmal Titanzinkverkleidung

Die Titanzinkverkleidung der Fassade ist ein wiederkehrendes Gestaltungsmerkmal von Libeskind

Foto: Till Schuster, Dresden

 

"Die komplexe Gebäudeform stellte für uns als ausführende Firma eine gewisse Herausforderung dar. So mussten wir beispielsweise unsere genormten Arbeitsgerüste immer wieder den in alle Richtungen geneigten Decken- und Wandflächen anpassen, ohne die Arbeitssicherheit zu vernachlässigen. Außerdem machte es die Gebäudeform erforderlich, die Schnittstellen der unterschiedlichen Gewerke immer wieder kurzfristig aufeinander abzustimmen, sodass wir teilweise große, geschossübergreifende Flächen nicht in einem Arbeitsgang durchführen konnten. Dennoch musste am Ende gewährleistet sein, dass keine Absätze erkennbar bleiben. Ein solches streifenfreies Ergebnis gerade bei einem so intensiven Farbton wie dem sogenannten Tomatenrot (RAL 3013) zu erzielen, erfordert viel Geduld und Erfahrung. Eine große Arbeitserleichterung war für uns, wie immer, die hohe Flexibilität der Firma Brillux, sodass wir auch auf kurzfristige Planänderungen und Wünsche des Auftraggebers gut reagieren konnten."

Die Malerfirma Raum und Schrift GmbH über Erfahrungen bei der Ausführung

 

  • <p><i>Foto: Studio Libeskind, New York</i></p>

    Foto: Studio Libeskind, New York

  • <p><i>Foto: Till Schuster, Dresden</i></p>

    Foto: Till Schuster, Dresden

  • <p><i>Foto: Till Schuster, Dresden</i></p>

    Foto: Till Schuster, Dresden

 

Projektdaten

  • Objekt: Leuphana Universität
  • Standort: Universitätsallee 1, 21335 Lüneburg
  • Bauherr: Leuphana Universität, Lüneburg
  • Architekt: Studio Daniel Libeskind, New York
  • Ausführender Malerbetrieb: R+S Raum und Schrift GmbH, Chemnitz
  • Nutzfläche: 13.200 m²
  • Brutto-Geschossfläche: 21.000 m²
  • Brutto-Rauminhalt: 113.000 m³

Noch mehr Infos zur Leuphana Universität Lüneburg

 
 
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