Titelmotiv: SAKO Architects
Dieser Artikel erschien in der MarktImpulse, Ausgabe 2/18
"Die Aufgabe der Umgebung ist es nicht, das Kind zu formen, sondern ihm zu erlauben, sich zu offenbaren", sagte einst die Reformpädagogin Maria Montessori (1870–1952). Nach diesem Motto entstehen immer mehr Einrichtungen für Kinder, die optisch wahre Wunderwerke sind – ein Ausflug rund um den Globus.
Ein bunter Regenbogen verkündet Sonnnenschein - trotz Regen.
(Olivier Palatre, Architekt)
ÉCOLE MATERNELLE PAJOL, PARIS
Architekturbüro Olivier Palatre Architectes
Fläche 1.260 Quadratmeter
Fertiggestellt 2011
"Ein Schatz ist zu wenig", sagen die Franzosen. Und so finden sich an beiden Enden dieses Regenbogens viele kleine Schätzchen: die Kinder der Vorschule "Maternelle Pajol". Auf diesem Schulhof herrscht – dank der knallbunten Gestaltung – keine Tristesse und Langeweile.
Die Kleinen nutzen ihre Fantasie und balancieren auf grünen, roten und lila Schlangen oder nutzen die Streifen als Rennstrecke. Die Farbidee eines Regenbogens in Kitas ist zwar nicht neu, wurde hier aber optisch beeindruckend umgesetzt. Die Architekten wollten dem Nachwuchs das Gefühl vermitteln, dass auf Regen immer Sonnenschein, auf eine Niederlage immer ein Erfolg und auf ein Weinen immer ein Lachen folgt.
Ihr Konzept geht auf: Um den in den 1940er-Jahren errichteten Rotklinkerbau tanzen und springen fröhliche Kinder herum – auch bei schlechtem Wetter. Die verschiedenen Farben sind zudem funktional: Die Strahlen leiten die Schüler durch die Schulflure in ihre Klassenzimmer, in Projekträume und zum Lehrerzimmer.
Wir assistieren den Kindern, wir erziehen sie nicht!
(Loris Malaguzzi (1920-1994), Pädagoge und Begründer der Reggio-Pädogogik
TIMAYUI, SANTA MARTA, KOLUMBIEN
Architekturbüro Giancarlo Mazzanti
Fläche 1.450 Quadratmeter
Fertiggestellt 2010
Auf der einen Seite Karibikflair, auf der anderen Kriminalität: Santa Marta im Norden Kolumbiens ist eine Stadt harter Gegensätze. Um die Kinder aus den Armenvierteln vor Gewalt in den Straßen und Perspektivlosigkeit zu bewahren, wurde die Kita "Timayui" gebaut.
Hier werden Kinder bis zu fünf Jahren versorgt, gefördert und stark gemacht für die Zukunft. Die Philosophie der Kita geht auf Loris Malaguzzi (1920–1994) zurück. Der italienische Pädagoge propagierte mit der Reggio-Pädagogik ein neues Bild vom Kind: "Jedes Kind hat die Fähigkeit, sich selbst zu bilden, die Erwachsenen helfen lediglich, diese Fähigkeiten zu entdecken und zu erschließen."
Die Vielfalt der Sprachen, Gedanken und Träume und die angeborene Offenheit sollen dabei erhalten bleiben. So flexibel wie die Pädagogik ist hier auch die Architektur: Der pyramidenförmige Betonbau ermöglicht es, jederzeit Module anzubauen.
Wir haben uns eine spielerische Umgebung vorgestellt, um die Kreativität zu fördern.
(Anders Rotstein, Architekt)
FÖRSKOLAN SJÖTORGET, STOCKHOLM, SCHWEDEN
Architekturbüro Rotstein Architekter
Fläche 460 Quadratmeter
Fertiggestellt 2013
In der Wand? Unter der Treppe? Im Gang? Dieser Kindergarten in Stockholm ist ein Paradies zum Versteckspielen. Er wurde L-förmig in ein Stockholmer Stiegenhaus integriert und bietet mit seinen Nischen, Mulden und Kästen viel Platz zum Kuscheln, Klettern und Lesen. Breite Lichtschächte lassen viel Tageslicht in die Räume der im Erdgeschoss liegenden Kita.
Dank der Maximierung der Raumhöhe bekam die Kita zwei offen gehaltene Stockwerke. So konnte eine Treppe integriert werden, die in ein Amphitheater mündet, unter dem sich wiederum eine Höhle verbirgt. Alle Innenräume sind mit verschiedenfarbigen Winkeln und Wendungen eingerahmt, die zum Spielen und zur Kreativität einladen – und gleichzeitig der Orientierung im Raum dienen.
Wir wollten die urbane Landschaft mithilfe der kindlichen Fantasie animieren.
(Raphaëlle Hondelatte, Architektin)
GIRAFFE CHILDCARE CENTER, BOULOGNE-BILLANCOURT, FRANKREICH
Architekturbüro Hondelatte Laporte Architectes
Fläche 1.450 Quadratmeter
Fertiggestellt 2012
Ein Giraffen-Gigant hält Ausschau nach Grünfutter, ein Eisbärbaby klettert auf die Spielterrasse, eine Marienkäferfamilie krabbelt die Fassade hinauf: Diese Kinderkrippe am Ufer der Seine ist gestaltet wie ein kleiner Zoo.
Das soll die Fantasie der Kinder anregen und ihnen Spiel ideen geben. "Durch ihre freundliche Form laden uns die lebhaften Tierskulpturen ein, unsere Träume zu leben", so die Architekten über ihren Bau, der auch für seine Energieeffizienz ausgezeichnet worden ist. Die aus Beton geschnitzten Tiere dienen als Kunst zum Anfassen: Auf dem Balkon kann der Giraffenrücken erklommen, die Beine des Bären im Innenhof dürfen als Versteck und Fahrzeugparkplatz genutzt werden.
Die Skulpturen sind über drei Ebenen verbaut und bilden einen spannenden Kontrast zu den Bürohochhäusern aus Glas, Metall und Beton, in denen viele Eltern der Kita-Kinder arbeiten.
Das Runde soll eine Atmosphäre der Freiheit und Freundlichkeit schaffen.
(Keiichiro Sako, Architekt)
LOOP, TIANJIN, CHINA
Architekturbüro SAKO Architects
Fläche 4.300 Quadratmeter
Fertiggestellt 2011
Hat eine Kita keine Ecken und Kanten, freuen sich die Eltern – es besteht weniger Verletzungsgefahr. Doch Keiichiro Sako dachte vor allem an die Kinder, als er das dreigeschossige Gebäude inmitten eines Industriegebietes konzipierte: Der Riesen-Donut des japanischen Architekten sollte ihnen Freude bereiten.
Mit endlos erscheinenden Fluren, in denen man Fangen spielen kann, mit runden Räumen, in denen keiner in die Ecke gestellt werden kann, und mit Bullaugenfenstern, die Einblick in alle Spielbereiche geben. Damit die Kleinen sich nicht verlaufen, integrierte der Architekt im Gebäude 18 Säulen in Regenbogenfarben für eine kindgerechte Orientierung anhand von Farbcodes.
Das Zentrum der internationalen Kita bildet der große Innenhof, außerdem gibt es einen Indoor-Spielplatz und einen Dachgarten mit Kunstrasen. Jeder Raum wird dank riesiger Glastrichter, die Kanäle für das einfallende Sonnenlicht bilden, von Licht durchflutet.