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In der Familie liegt die Kraft

Fotos: Thomas Rötting

Dieser Artikel erschien in der MarktImpulse 1/20

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Strikte Trennung von Job und Privatem? Das ist im Betrieb Engelhardt & Sohn aus Berlin-Spandau keine Option. Egal, ob auf der Baustelle oder im Büro – die Familie ist überall.

Wer zu Christian Engelhardt möchte, muss erst an der Verwandtschaft vorbei. An Tochter Sabrina, 22, die am Schreibtisch sitzt. An Mutter Ingeborg, 76, die ein Büro weiter den Urlaubskalender checkt. An Sohn Leon, 19, der gerade Kaffee brüht. Und an Familienoberhaupt Klaus-Peter, 79, der im Türrahmen lehnt. Um hier zum Chef zu gelangen, muss ein Besucher alle Räume durchqueren – einen Flur hat das urige Gebäude nicht.

An den Wänden hängen Postkarten von Kollegen und Familienfotos, ein Türrahmen ist mit ausgeblichenen Streifen gespickt, auf denen steht "Leon, 6 Jahre, 1,35 Meter" und "Sabrina, 3 Jahre, 1 Meter". Christian Engelhardts Kinder sind hier aufgewachsen, denn der Weg zur Arbeit ist kurz: Die meisten Familienmitglieder wohnen gegenüber. Zwar in verschiedenen Wohnungen, aber im selben Haus. Christian Engelhardts Büro ist das letzte in der Reihe. "Eine verdammt gute Strategie" nennt er das. Denn so schaffen es nur Menschen zu ihm, die mit einem wichtigen Anliegen kommen.

 

Kann ja nicht schaden, wenn meine Mitarbeiter sehen, dass ich's noch drauf hab!

Christian Engelhardt, Inhaber und Geschäftsführer

 

Tief verwurzelt

Der Malermeister hat volle Auftragsbücher, viele seiner Kunden befinden sich in einem Radius von 30 Kilometern. "Na, wir werben in unserem Logo schließlich mit dem Satz: Ihr Malermeister aus Spandau", erklärt er. "Wir Engelhardts sind hier tief verwurzelt. Man kennt und schätzt sich, das ist wie auf dem Dorf. Meinen Vater bezeichnen die Leute hier auch spaßeshalber als 'den Paten aus Spandau'." Er schmunzelt. Sein Vater Klaus-Peter gründete den Betrieb ausgerechnet am 1. April 1976 — passend zum Humor des Seniors. Was mit einem Team aus fünf Mitarbeitern begann, wuchs nach der Wende auf 35 Kollegen an. Der jugendliche Christian war zu dieser Zeit unschlüssig, ob er Elektriker, Klempner oder doch Kfz-Mechaniker werden sollte. Auf die Idee, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, kam er nicht. Er absolvierte einige Praktika. Doch der Pinsel kam, wie ein Bumerang, immer wieder zu ihm zurück. Als er im Autohaus die Tore streichen musste, dachte er: "Okay, Schicksal, ich hab's begriffen. Das geht mir leicht von der Hand, da wäre ich ja schön blöd, wenn ich das nicht machen würde."

Gleiches Recht für alle

Christian Engelhardt ließ sich in einer anderen Malerfirma ausbilden und stieg anschließend in den Familienbetrieb mit ein. Nach einigen gemeinsamen Jahren zogen Klaus-Peter Engelhardt und sein Sohn irgendwann die Reißleine: "Wenn täglich morgens um sechs Uhr im Büro Licht brennt, auch am Wochenende, stimmt das Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit nicht", betont der Senior. Als er aus gesundheitlichen Gründen ausstieg, übernahm Sohn Christian. Der achtet seitdem stets darauf, dass seine zehn Mitarbeiter rechtzeitig Urlaub machen, um sich zu erholen. Das sei ihm ein Anliegen, sagt er: "Schließlich will ich kein schlechtes Gewissen haben, wenn ich an meinen alten Opel GTs herumschraube." Gleiches Recht für alle, das ist seine Devise. Ob Enkel Leon den Laden übernehmen wird, steht in den Sternen. Opa rät Leon noch einmal ins Ausland, zum Beispiel in die Schweiz, zu gehen, um Erfahrung zu sammeln. Leons Ziel bis 2022 ist es, mit seiner Fußballmannschaft in die Regionalliga aufzusteigen. Und Christian Engelhardt? Der macht, wie einst sein Vater, keine Pläne für andere: "Mein Sohn soll sich das aussuchen", sagt er. "Wenn er etwas ganz anderes machen will, ist das okay! Bloß kein Druck."

 

Wir Engelhardts sind hier tief verwurzelt. Man kennt und schätzt sich, das ist wie auf dem Dorf.

Christian Engelhardt, Inhaber und Geschäftsführer

 
  • <p>Die stattliche Kastanie auf der Leon sitzt, pflanzte Senior Klaus-Peter Engelhardt (r.) vor 50 Jahren mit seinem Sohn Christian (l.)</p>

    Die stattliche Kastanie auf der Leon sitzt, pflanzte Senior Klaus-Peter Engelhardt (r.) vor 50 Jahren mit seinem Sohn…

  • <p>Mehr als 50 Jahre Handwerksmeister: Klaus-Peter Engelhardts goldener Meisterbrief hängt im Büro</p>

    Mehr als 50 Jahre Handwerksmeister: Klaus-Peter Engelhardts goldener Meisterbrief hängt im Büro

  • <p>Das Nachschlagen ist mehr Reflex als wirklich notwendig: Gabriele Kerwitz weiß aus dem Kopf, welcher Kollege wie viele Jahre im Team ist</p>

    Das Nachschlagen ist mehr Reflex als wirklich notwendig: Gabriele Kerwitz weiß aus dem Kopf, welcher Kollege wie viele…

  • <p>Der Betrieb hat kürzlich auf digital umgestellt, ins Altpapier kommen die Unterlagen aber erst, wenn alle Routine haben</p>

    Der Betrieb hat kürzlich auf digital umgestellt, ins Altpapier kommen die Unterlagen aber erst, wenn alle Routine haben

Der Chef packt an

Das ist ihm als Chef wichtig: Seine Arbeitszeit teilt Christian Engelhardt grundsätzlich so ein, dass er jede Woche zwischen acht und zwölf Stunden auf den Baustellen verbringt. Darauf legt der 52-Jährige großen Wert. Während er kontrolliert, packt er auch gleich mit an. "Kann ja nicht schaden, wenn meine Mitarbeiter sehen, dass ich's noch drauf hab!" Geselle Stefan Binatz, 54, und Sohn Leon nicken zustimmend, grinsen, und blicken wie auf ein unsichtbares Kommando zum Senior. Der droht den beiden lachend mit dem erhobenen Zeigefinger und sagt: "Ich hab's auch noch drauf!"

Denn auch Klaus-Peter Engelhardt macht gern spontane Stippvisiten auf den Baustellen – obwohl er längst in Rente ist. Mit fast 80 Jahren ist er noch fit, keine Technik, und sei sie noch so alt, hat er vergessen. Sein Wissen gibt er gerne an Leon weiter, gemeinsam mit Altgeselle Stefan Binatz. Der kennt die in Vergessenheit geratenen Kniffe seines ehemaligen Meisters, aber auch die neuen Tricks. Er besucht regelmäßig mit seinem Chef den Arbeitskreis in der Spandauer Zitadelle. Dieser Zusammenschluss von acht Meisterbetrieben hat es sich zur Aufgabe gemacht, alte Techniken zu bewahren, die Qualität des Malerhandwerks zu beleben und Erfahrungen weiterzugeben.

Vor allem die historischen Häuser in und um Berlin haben es den Engelhardts angetan. "Ein Treppenhaus aus der Renaissance-Zeit originalgetreu wieder herstellen zu dürfen, ist jedes Mal ein Glück", freut sich der Chef. Soll Stefan Binatz beispielsweise die Decke eines solchen Treppenhauses mit Gold verzieren, bringt er die Kunst nicht, wie es einst der Senior tat, direkt an die Wand. Er schabloniert stattdessen auf einem Vlies in der Werkstatt. Das ist ebenso präzise – und günstiger. "Tja, und wer weiß es nun besser?", flachst Stefan Binatz und grinst Leon an. Es ist klar, dass der Altgeselle nur einen Scherz macht, denn ein Ausspielen zwischen Jung und Alt findet bei den Engelhardts nicht statt. Dafür sorgt schon der Chef.

 

Wir sind ein echtes Familienunternehmen.

Christian Engelhardt, Inhaber und Geschäftsführer

 

Toller Teamgeist

Christian Engelhardts Ruhe und Gelassenheit färben auf das Betriebsklima ab. Keiner wirkt angespannt, alle lächeln beim Vorbeigehen, klopfen sich auf die Schulter und frotzeln freundlich miteinander. Einige der Angestellten arbeiten schon seit 30 Jahren für die Engelhardts. Für das Team bedeutet dieses In- und Auswendigkennen eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Für Sohn Leon ist es eine weitere Herausforderung. Er schloss erst vor kurzem seine Ausbildung im Familienbetrieb ab, genau wie seine Schwester Sabrina, die dort Bürokauffrau im Handwerk lernte. Dass die Kollegen ihn noch in Windeln kannten und heute als "kleinen Steppke" aufziehen würden, sei schon manchmal nervig, gibt er zu. "Was glaubst du, was uns so alles nervt!", ruft da Stefan Binatz, der seit 18 Jahren im Betrieb ist. „Zum Beispiel, wenn du dich mal wieder beim Training verletzt und die Füße hochlegen musst!"

Nach dem Witz wird der Geselle ernst. Er erzählt, dass auch er erst vor kurzem neun Monate wegen eines Sehnenrisses "raus" gewesen sei. Der Chef habe ihn unterstützt, das sei nicht selbstverständlich. Bei allem Humor, über Krankheiten scherzt hier niemand. "Im Gegenteil", sagt Gabriele Kerwitz, "man macht einen Krankenbesuch." Die 68-jährige Bürokauffrau arbeitet noch zehn Stunden in der Woche mit. Wann sie aufhören will, weiß sie noch nicht. Als sie vor drei Jahren in Altersteilzeit ging, überraschten die Kollegen sie und renovierten ihre Wohnung. Einfach so, um ihr eine Freude zu machen. "So ist das hier eben. Wir sind ein echtes Familienunternehmen", erklärt Christian Engelhardt. "Dass wir nicht alle verwandt sind, spielt doch keine Rolle."

 

Tja, und wer weiß es nun besser?

Stefan Binatz, Geselle, scherzt mit Junggeselle Leon Engelhardt auf der Baustelle

 
 

Malerbetrieb Engelhardt & Sohn

Senior Klaus-Peter Engelhardt gründete das Unternehmen in Berlin-Spandau im Jahr 1976 und baute es gemeinsam mit seiner Ehefrau Ingeborg auf. Sie begannen mit fünf Mitarbeitern, kurz nach dem Mauerfall waren es 35. Mittlerweile führt Sohn Christian Engelhardt den Betrieb und hat zehn Kollegen im Team – inklusive Tochter Sabrina und Sohn Leon. Neben der Industrie gehören vor allem Hausverwaltungen und Privathaushalte zum Kundenstamm.

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