Nach oben scrollen
Brillux Radio

Historisches Handwerkszeug: die Vergrößerungstechnik

Fotos: Conny Trumann

Dieser Artikel erschien in der MarktImpulse 4/20

Bestellen Sie die Printausgabe per E-Mail an: kontakt@brillux.de

Kleiner Beutel – große Pause: Präzision, Geduld und Vorstellungsvermögen sind Eigenschaften, die Maler immer brauchen. Unabhängig davon, in welchem Jahrhundert sie tätig sind. So wird die Rastervergrößerungstechnik bereits seit der Antike verwendet.

"Eine großflächige Wand mit einem detailreichen Gemälde zu verzieren ist auch heute noch eine komplexe Aufgabe", erklärt Experte Michael Sommersell vom Deutschen Maler- und Lackierermuseum. "Aber noch bis ins vergangene Jahrhundert benötigte ein solches Vorhaben eine Pause in Gestalt einer mehrere Meter großen Vorlage." Was aber damals wie heute gilt: Wer Großes erschaffen will, muss klein anfangen.

 

Unser Experte

Kann ein Maler gut frei zeichnen, benötigt er kaum mehr als Umrisse.

Michael Sommersell, 60, ist selbstständiger Maler und Sachverständiger in Hamburg und bewahrt im Malermuseum die Geschichte des Handwerks.

 

Für eine Pause dieser Größenordnung, wie das Exponat aus den 30er Jahren, benötigt ein Maler mehrere Arbeitsschritte: "Zuerst fertigt er das kleinere Bild als Entwurf an. Dann nutzt er eine Rastervergrößerungstechnik, die noch immer bei der Übertragung von Skizzen auf große Wandgemälde zum Einsatz kommt. Dabei legt der Maler ein Netzgitter über die Vorlage und teilt es so in Quadrate. Anschließend kopiert er das Bild Quadrat für Quadrat in größerem Maßstab auf die Pause. Früher bedeutete dieses Vorgehen vor allem Kopfarbeit – Hilfsmittel wie Taschenrechner, Dia- und Overheadprojektoren oder Beamer gab es damals ja noch nicht."

Dass diese Technik schon sehr früh verwendet wurde, belegen gut erhaltene archäologische Funde von Reliefs in Tempeln, Palästen und Gräbern aus der Antike. "Wie detailreich so eine XL-Vorlage ausfällt, hängt von der Kunstfertigkeit des Handwerkers ab", erläutert der Experte. "Kann ein Maler gut frei zeichnen, benötigt er kaum mehr als Umrisse." Bei diesem Exponat ähnelt die Pause sehr dem kleineren Original. Hätte man es so an die Wand gehängt, wäre es Kunst auf Papier.

Lochen, tupfen, malen

Da das Bild jedoch direkt auf den Untergrund soll, war nun erst die Hälfte der Arbeit erledigt: Der Maler drapiert also die Pause auf dem Boden und locht anschließend sorgfältig die Konturen. Dafür nimmt er eine Nadel oder ein gezahntes Lochrädchen. Um die Umrisse auf die Wand zu übertragen, fixiert er es dort mit Holzleisten.

Dann kommt der Pausbeutel ins Spiel: "Dieses kleine Säckchen sieht unscheinbar aus, ist aber ein effizientes Hilfsmittel", betont Michael Sommersell. "Es besteht in der Regel aus Leinen und wird, je nach Helligkeit des Untergrundes, mit geriebener Holzkohle oder Kreidepulver gefüllt. Der Maler tupft damit auf die Pause und stäubt durch die winzigen Löcher die Farbe auf die Wand. Sobald er konturiert hat, zieht er feine Linien neben den so entstandenen Pünktchen. Um diese später nicht im Bild zu haben, schlägt er sie anschließend mit einem trockenen Tuch wieder ab."

Damit war die Vorbereitung für den anspruchsvollsten Teil der Arbeit abgeschlossen: Das Werk konnte innerhalb der Konturen ausgemalt werden. "Und wie herausfordernd das auch heute noch ist, müssen wir an dieser Stelle keinem Maler erklären."

 

Einen Besuch wert

Das Maler- und Lackierermuseum in Hamburg dokumentiert die Geschichte des Malerhandwerks anhand von gut erhaltenen Arbeiten, Maschinen und Werkzeugen. Zeitgeschichtliche Dokumente, Gesellen- und Meisterbriefe, Zunftgegenstände und Prüfungsarbeiten verdeutlichen eindrucksvoll die Arbeitstechniken und Lebensweisen der Malergenerationen aus acht Jahrhunderten.

Zur Website des Malermuseums

 
Historisches Handwerkszeug

Historisches Handwerkszeug

Karriere eines Knastkarrens: Die Schottsche Karre rollte als erste Fahrzeugwerbung durchs Mittelalter.

..mehr