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Historisches Handwerkszeug: die Schottsche Karre

Fotos: Conny Trumann

Dieser Artikel erschien in der MarktImpulse 3/20

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Die Schottsche Karre war vom 17. bis Anfang des 20. Jahrhunderts das wichtigste Transportmittel für Waren und bestimmte überall in Deutschland das Stadtbild. Der Milchmann fuhr mit ihr seine Kannen aus, der Gemüsehändler lieferte seine Lebensmittel, die Handwerker beförderten darauf ihre Werkzeuge. Die Handkarre wurde allein durch menschliche Muskelkraft angetrieben und kam überall dorthin, wo sich kein Ochse und kein Pferd durchzwängen konnten: in die engsten Gassen und Hinterhöfe.

Auch die Maler nutzten bis in die 50er Jahre die Beweglichkeit des Karrens, um ihre Farbeimer auf die Baustellen zu bekommen. Dabei sei für sie schon der Weg Teil des Geschäfts gewesen, erklärt Michael Sommersell vom Deutschen Maler- und Lackierer-Museum: "Die Maler waren schon vor 350 Jahren clever: Sie nutzten die Karre als erstes Portfolio auf Rädern, indem sie Namen und Adresse daraufmalten." Die erste Fahrzeugbeschriftung war geboren.

 

Unser Experte

Die Maler waren schon vor 350 Jahren clever: Sie nutzten die Karre als erstes Portfolio auf Rädern.

Michael Sommersell, 60, ist selbstständiger Maler und Sachverständiger in Hamburg und bewahrt im Malermuseum die Geschichte des Handwerks.

 
  • <p>Den Schriftzug trug der Maler mithilfe einer Pause auf. Je öfter er unterwegs war, desto bekannter wurde er</p>

    Den Schriftzug trug der Maler mithilfe einer Pause auf. Je öfter er unterwegs war, desto bekannter wurde er

Vom Karrenbuben zum Kommandeur

Ihren Namen bekam die Schottsche Karre nicht etwa von einem Schotten. Sie wurde nach Michel Schotte benannt, einem berüchtigten Hamburger Strauchdieb. Er war der Erste, der zur Bestrafung buchstäblich "vor den Karren gespannt" wurde. Ab dem 7. September 1609 schob er die Karre durch die Gassen, um Unrat einzusammeln. Seine Ankunft war von weit her zu hören: Er trug um die Brust eine Eisenfessel, an der Glöckchen befestigt waren – für jedes noch abzusitzende Jahr eins. Ertönte das Schellen, stellten die Leute ihren Ascheimer vor die Tür. Dieses Strafmittel wurde immer beliebter; und so bimmelten jahrhundertelang die sogenannten Karrenbuben durch die Städte. Für Michael Schotte bedeutete die Karre einen Karrieresprung: Nachdem er seine Strafe verbüßt hatte, ernannte man ihn zum Kommandeur der Karrenbuben.

Fix und federleicht

Die Schottsche Karre war wie eine übliche Handkarre aufgebaut: zwei Holme zum Schieben, eisenbereifte Holzspeichenräder von 80 bis 130 Zentimeter Durchmesser und eine Ladefläche von etwa 1,5 Quadratmetern. Doch die Hamburger Erfindung hob sich von anderen Karren ab, indem sie eben nicht abhob: "Sie hatte zwei Metallfedern, die die Ladung abpufferten", so der Experte. "So wurde aus einer holpernden Karre ein Transportmittel, das nicht bei jeder Rille hüpfte und Werkzeuge verlor." Mit dem Wirtschaftswunder verschwanden die Karren – die Handwerker stiegen auf Kleinbusse um. Ganz vergessen seien sie aber bis heute nicht, glaubt Michael Sommersell: "Immer mehr Maler in der Großstadt fahren kürzere Strecken mit Lastenfahrrädern, die, genau wie die Schottsche Karre, an den Seiten mit Logos und Werbeslogans bemalt sind." Und so erlebt, dank des Themas Umweltschutz, zumindest die kunstvolle Beschriftung auf Holz ein Revival.

 

Einen Besuch wert

Das Maler- und Lackierermuseum in Hamburg dokumentiert die Geschichte des Malerhandwerks anhand von gut erhaltenen Arbeiten, Maschinen und Werkzeugen. Zeitgeschichtliche Dokumente, Gesellen- und Meisterbriefe, Zunftgegenstände und Prüfungsarbeiten verdeutlichen eindrucksvoll die Arbeitstechniken und Lebensweisen der Malergenerationen aus acht Jahrhunderten.

Zur Website des Malermuseums

 
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