Fotos: Conny Trumann
Dieser Artikel erschien in der MarktImpulse 1/21
Bestellen Sie die Printausgabe per E-Mail an: kontakt@brillux.de
Was auf Bilderrahmen in Museen, auf Altären in Kirchen und auf Stuck in Altbauten leuchtet, ist häufig echtes Gold. Aufgebracht wird das zarte Metall blättchenweise mit einem traditionellen Verfahren: der Polimentvergoldung. "Diese Methode für Innenräume gilt seit Jahrtausenden als hohe Schule beim Vergolden", erklärt Farbexperte Michael Sommersell vom Hamburger Malermuseum. "Bereits die alten Ägypter nutzten sie, um Sargmasken zu verzieren."
Die Polimentvergoldung ist anspruchsvoll und erfordert, neben jahrelanger Übung und aufwendiger Planung, vor allem Fingerspitzengefühl und kontrollierte Atmung. Die Goldblätter sind hauchdünn, ein menschliches Haar ist 500 Mal so dick. Zudem sind sie nicht gerade günstig: Ein Blatt kann, je nach Tagespreis, gut einen Euro fünfzig kosten.
Vor diesen Könnern ziehe ich meinen Hut.
Michael Sommersell, 60, ist selbstständiger Maler und Sachverständiger in Hamburg und bewahrt im Malermuseum die Geschichte des Handwerks.
"Der Aufbau dieser Vergoldung besteht aus einer komplexen Folge von Grund- und Polimentschichten, die sich der Vergolder selbst herstellt", schildert Michael Sommersell. Auf feste Holzarten, Gips oder Stuck wird eine Leimtränke aus Tierhaut- oder Knochenleim mehrfach aufgetragen, geschliffen und mit diversen Kreiden in genauer Abfolge angelegt. Das Besondere: Diese Schichten lösen sich beim nächsten Auftrag nicht schuppenförmig ab, wie es von Leimfarbe bekannt ist.
Ist dieser Untergrund fein geschliffen und gelöscht, wie das Grundieren hier genannt wird, geht's ans Poliment, den eigentlichen Träger des Goldes. Es wird genauso mehrschichtig aufgetragen wie der Kreidegrund. Das Poliment wird, je nach Verfahren, benetzt, sprich kurzzeitig angelöst, dann wird das Gold aufgebracht. Dazu nimmt man mit dem Vergoldermesser das Blättchen auf und schneidet es auf dem Vergolderkissen zu. Die Herausforderung: flach atmen und nicht sprechen – schon ein Hauch kann das Gold davonwehen.
Nun kommt der Anschießer zum Einsatz, ein breiter Pinsel aus Eichhörnchen- oder Kamelhaar. Dieser wird über die Wange gestrichen, um ihn elektrostatisch aufzuladen. So "fliegt" das Gold an die Borsten. Tipp: Vorher rasieren – das funktioniert nicht mit Bart. Dann "schießt man das Gold an", so nennt man das Aufbringen. Im Anschluss wird es mit dem Vergolderpinsel "angestrichen", überstehende Reste werden abgekehrt.
Zum Abschluss kommen Achate zum Einsatz: Die Quarz-Edelsteine eignen sich dank ihrer glatten Oberfläche perfekt, um Gold zu polieren. Für diese Methode bedarf es großer Erfahrung, weiß Michael Sommersell: "Vor diesen Könnern ziehe ich meinen Hut." Doch nicht jede goldene Oberfläche benötigt gleich eine neue Schicht: "Häufig ist sie nur verschmutzt und es reicht, das Innere eines Brötchens zu einem Radiergummi zusammenzudrücken und damit das Gold wieder erstrahlen zu lassen. Und das geht auch mit Dreitagebart."
Das Maler- und Lackierermuseum in Hamburg dokumentiert die Geschichte des Malerhandwerks anhand von gut erhaltenen Arbeiten, Maschinen und Werkzeugen. Zeitgeschichtliche Dokumente, Gesellen- und Meisterbriefe, Zunftgegenstände und Prüfungsarbeiten verdeutlichen eindrucksvoll die Arbeitstechniken und Lebensweisen der Malergenerationen aus acht Jahrhunderten.