Fotos: Conny Trumann
Dieser Artikel erschien in der MarktImpulse 2/21
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Der Pinsel gehört zu den ältesten Werkzeugen der Menschheit und schon die ersten Vorläufer haben große Ähnlichkeit mit den Pinseln von heute. In der Steinzeit haben Künstler Tierhaare und Federn zusammengebunden und in Röhrenknochen gesteckt. Noch immer werden als Pinselbesatz neben synthetischen Fasern auch Tierhaare und Borsten verwendet – von den seidigen Schweifhaaren des Eichhörnchens bis zu den festen Borsten des Schweins.
Für den schönen Schein wird die Wurzelholz-Maserung Schicht für Schicht aufgetragen.
Michael Sommersell, 60, ist selbstständiger Maler und Sachverständiger in Hamburg und bewahrt im Malermuseum die Geschichte des Handwerks.
Jede Borste, jedes Haar hat besondere Eigenschaften und eignet sich für einen bestimmten Zweck. Besonders gut lässt sich das an der Holzmalerei zeigen, mit der Maler vor allem im 19. Jahrhundert Edelhölzer imitierten. Fichte oder Kiefer verwandelten sich zum Beispiel mit der Technik der Bierlasur in Mahagoni oder Wurzelholz: "Mit Pinseln, Kämmen und Schwämmen lassen sich die typischen Maserungen erzeugen", erklärt Michael Sommersell vom Hamburger Malermuseum.
Die Pigmente werden in abgestandenes Bier eingerührt. Der hellste Farbton wird deckend gestrichen. Das Farbspiel entsteht, wenn der Maler die Lasuren aufträgt. Mit dem weichen Dachshaar- Vertreiber lässt sich die Lasur ganz zart verwischen. Der extra breite Modler ist perfekt für die parallelen Strukturen. Die kurzen, harten Borsten von Rindern werden für den Plattpinsel genutzt. Er nimmt wenig Farbe auf, so lassen sich feine Strukturen stupfen: "Fingerfertigkeit und Kreativität sind gefragt. Früher gehörte die Bierlasur zum täglichen Tun, heute ist sie fast Kunsthandwerk."
Für täuschend echtes Eichenholz haben Maler auch Nadeln und Walzen genutzt. Das günstige Holz bekommt eine dicke Farbschicht, im nächsten Schritt wird mit Nadel und Porenwalze die typische Struktur eingeritzt und abschließend eine Halböl-Lasur aufgetragen. "Diese Technik wurde zum Beispiel für Särge genutzt", so der Experte. "Wohlhabende Bauern wollten – auch wenn das edle Holz knapp war – ihre letzte Ruhe im Eichensarg finden. Dafür haben Maler die hohe Kunst dieser Eichenimitation entwickelt."
Heute haben Furniere die Holzmalerei weitgehend ersetzt. Gefragt sind die Techniken aber immer noch beim Restaurieren alter Möbel oder Türen. Dachshaar-Vertreiber, Modler und Plattpinsel gehören wie eh und je in jede Malerwerkstatt. Das Zentrum der deutschen Pinselherstellung ist übrigens in Franken, wo im 18. Jahrhundert die Geburtsstunde der Pinselmacher schlug. Vorher hatten Künstler und Maler ihre Werkzeuge selbst hergestellt. Wer tiefer in diese Kunst eintauchen möchte, erkundet das Deutsche Pinsel- und Bürstenmuseum in Bechhofen. Dort dreht sich alles um Haare und Borsten – vom edlen Dachshaar-Vertreiber bis zur gewöhnlichen Spülbürste.
Das Maler- und Lackierermuseum in Hamburg dokumentiert die Geschichte des Malerhandwerks anhand von gut erhaltenen Arbeiten, Maschinen und Werkzeugen. Zeitgeschichtliche Dokumente, Gesellen- und Meisterbriefe, Zunftgegenstände und Prüfungsarbeiten verdeutlichen eindrucksvoll die Arbeitstechniken und Lebensweisen der Malergenerationen aus acht Jahrhunderten.