Fotos: Schnepp Renou, Berlin
Dieser Artikel erschien in der colore #graphitgrau
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Wie sieht wohl die Welt von morgen aus? Welche Themen werden uns beschäftigen und welche neuartigen Technologien zukünftig unser Leben bestimmen? Antworten auf diese und viele weitere Fragen finden Interessierte im Futurium Berlin, das seit September 2019 wie eine Art Raumschiff zwisc hen dem Hauptbahnhof, dem Humboldthafen, der Spree und dem Bundesministerium für Forschung und Bildung neugierige Besucher in eine andere Welt eintauchen lässt.
Das neue Ausstellungs- und Veranstaltungsgebäude ist im Rahmen eines zweiphasigen Wettbewerbs entstanden, an dem insgesamt 163 Architekturbüros teilnahmen. Die Aufgabe bestand darin, einen Raum zu schaffen, der nicht die Vergangenheit, sondern die Zukunft ausstellt und zugleich als Veranstaltungsort dienen kann. Mit ihrem einzigartigen Konzept eines raumschiffähnlichen Komplexes entschied das Berliner Büro Richter Musikowski den Wettbewerb für sich.
Vom Dach aus hat man einen erhabenen Blick über die Stadt, der einem noch mal bewusst macht, wie viel Macht und Möglichkeiten wir als Menschen haben.
Jan Musikowski
"Zu Beginn des Projekts stellten wir uns die Frage, wie es möglich ist, ein Gebäude zu bauen, das sich in der Gegenwart befindet, Beständigkeit hat und zugleich die Zukunft in sich trägt", erzählt Jan Musikowski von Richter Musikowski Architekten. "Heute vergleichen wir es mit einem Gefäß, in das die Zukunft durch die eine Seite eintritt und durch die andere wieder aus. So ist es kontinuierlich bespiel- und anpassbar. Versteckt zwischen den großen Bürogebäuden, wirkt es zudem wie ein Raumschiff, geheimnisvoll und voller Überraschungen, die man unbedingt entdecken möchte."
Beim Betreten des Gebäudes gelangen die Besucher zuerst in das "Forum", das die beiden Haupteingänge an der Nord- und Südseite zu einem gemeinsamen Foyer zusammenführt. "Wir hatten bei der Konzeption des Forums das Gemälde 'Die Schule von Athen' des Malers Raffael im Kopf. Es zeigt einige Philosophen, die in einem großen Kuppelgebäude zusammenstehen, sich angeregt unterhalten, diskutieren und philosophieren, und genau so sollte auch das Forum werden – nur in einem modernen Kontext. Das ist der Ort, an dem die Besucher miteinander ins Gespräch kommen, Ideen austauschen und sich auf den Besuch einstimmen", sagt Jan Musikowski. Dank einer Raumhöhe von sechs Metern, verschiedenen Blickachsen und viel Offenheit ist ein lichtdurchflutetes Erdgeschoss entstanden, das seine Gäste freundlich empfängt. Zudem befinden sich hier die Zugänge zu den Ausstellungsbereichen, die Garderobe, Sitzgelegenheiten sowie ein Restaurant und ein Café.
Mit dem Panorama-Aufzug oder per Treppe geht es nach oben in die "Cloud" – die Ideenwolke, die alles umgibt. Hier beginnen die Ausstellungswelten, in denen die Zukunft zum ersten Mal greifbar wird. Dieser Eintritt in eine neue Welt äußert sich auch durch einen Farbwechsel: Während im Erdgeschoss helle Oberflächen dominieren, sind es im Obergeschoss die dunklen, anthrazitfarbenen Töne. "Wir haben die Architektur bewusst etwas in den Hintergrund rücken lassen, damit die Ausstellungsobjekte besser in den Vordergrund treten können", erklärt Jan Musikowski. Darüber hinaus sorgen zwei riesige Schaufenster für eindrucksvolle Ein- und Ausblicke. "Uns war es wichtig, einen Dialog zwischen Gegenwart und Zukunft herzustellen, und das haben wir mit Hilfe der 'Screens' umgesetzt: Von draußen schaut man durch die Verglasung in die Zukunft und von innen in die Gegenwart."
Anschließend geht es hinab in den Maschinenraum der Zukunft: die "Cave". Bei dem Entwurf dieser Räumlichkeiten ließen sich die Architekten von verschiedenen Filmsettings à la Batman inspirieren. Im Untergeschoss ist es dunkel und es herrscht eine mystische Atmosphäre. "Die Cave ist wie eine Höhle, die im Verborgenen liegt, ein unterirdisches Zukunftslabor, in dem geforscht und entwickelt wird. Besucher können hier mit tollen Werkzeugen verschiedene Dinge produzieren, die sie anschließend wieder mit in die Gegenwart nehmen."
Eine weitere Besonderheit beim Besuch des Futuriums ist ein kleines Armband, das den Weg der Besucher durch die Ausstellung aufzeichnet. Zu Hause kann diese "Spur" noch mal nachverfolgt werden. "Eine wirklich charmante Idee, die besonders für Schulklassen sehr spannend ist", findet Jan Musikowski.
Farblich ist das Futurium eher zurückhaltend gestaltet. Viele Farbtöne einer Schwarz- Weiß-Skala sind bereits an der Fassade sichtbar. Durch die schuppenartige Struktur wirkt das Gebäude besonders futuristisch und auf gewisse Art und Weise geheimnisvoll. Auch im Innern dominieren verschiedene dunkle Grautöne und Weiß, um den Ausstellungsobjekten und den Besuchern mehr Raum zu lassen.
Nur die sogenannten "Transiträume", wie WC-Anlagen oder Treppenhäuser, erhielten einen farbigen Anstrich. "Wir experimentieren gerne mit Farben und wollten in den Bereichen, in denen sich die Besucher nur kurz aufhalten, Überraschungsmomente schaffen. Besonders das öffentliche Treppenhaus, das bis zum Dach hochführt, ist mit seinem Magenta- Anstrich bereits zum Instagram-Hotspot geworden."
Bestimmte Deckenbereiche wurden geschwärzt und das Treppenhaus mit einer speziellen Glättetechnik versehen – die Farbgestaltung war so facettenreich wie das Thema 'Zukunft'.
Bernhard Goldkuhle
Auch das Thema Nachhaltigkeit war ein wesentlicher Bestandteil bei dem Entwurf und der Umsetzung des Futuriums. Durch minimalen Materialeinsatz wurden maximale Raumvolumen erzeugt und das Gebäude so konzipiert, dass es besonders langlebig ist und sich bei Bedarf für eine Umnutzung eignen würde. Außerdem befindet sich auf dem Dach das "Solare Meer": ein großes Kollektorfeld für Fotovoltaik und Solarthermie. Dank eines umlaufenden Skywalks, genießen Besucher beste Sicht auf das Kollektorfeld sowie auf den Spreebogen und das Kanzleramt.
"Neben dem energetischen Aspekt beinhaltet das Thema Nachhaltigkeit für uns auch unter anderem Barrierefreiheit. Hörfunksysteme oder unser geräumiger Aufzug bieten jedem einen angenehmen, komfortablen und stressfreien Aufenthalt – das war uns besonders wichtig." Am Ende zahlte sich die Arbeit aus, denn das Futurium erhielt die Gold-Zertifizierung nach dem Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) – und damit nicht genug: Es ist auch Preisträger des Brillux Design Award!
Die Farbtondarstellung am Monitor ist nicht verbindlich.
OBJEKT | STANDORT Futurium, Berlin
BAUHERR | NUTZER Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Berlin
ARCHITEKTEN Richter Musikowski Architekten PartGmbB, Berlin
GENERALUNTERNEHMEN BAM Deutschland AG, Stuttgart
TECHNISCHER BERATER René Wolf, Brillux Berlin / Reinickendorf
AUSFÜHRENDER MALERBETRIEB Bernhard Goldkuhle GmbH & Co. KG, Essen