Fotos: Ilya Ivanov
Dieser Artikel erschien in der colore #graphitgrau
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Sanft umhüllt sie unseren Körper, macht mit ihren verschiedenen Formen und Farben auf sich aufmerksam, bedarf zum Teil der Interpretation und unterliegt dem Wandel der Zeit – Mode ist eine besondere Form der Kunst und verdient somit auch einen adäquaten Rahmen zur Präsentation. Das Architekturbüro WALL ist dieser Aufforderung nachgekommen und entwarf eine ungewöhnliche Boutique für die russische Premiummarke RASARIO, die als architektonisch wandelbarer Kunstraum den feinen Kleidungsstücken die passende Bühne bietet.
Sowohl Mode als auch Kunst sind Teil unseres Umfelds – sie umgeben uns. Der einzige Unterschied ist der Maßstab. Wenn Kleidung als zweite Haut gilt, kann die Architektur als dritte Haut bezeichnet werden.
Architekt Ruben Arakelyan ist Geschäftsführer des Architekturbüros WALL in Moskau. 2008 nahm er sein Studium am Moscow Architectural Institute auf, das er 2011 abschloss. Nachdem er vier Jahre als Dozent tätig gewesen war, gründete er 2014 zusammen mit Ayk Navasardyan sein eigenes Architekturbüro in Moskau.
Direkt am Smolenskaya-Ufer des Flusses Moskwa in Moskau befinden sich die minimalistisch gestalteten Räumlichkeiten in einem historischen Gebäude aus den 50er-Jahren, das sich besonders durch seine hohen Decken auszeichnet – eine Kombination aus Empire-Stil und Antike. "Früher war der Raum, in dem sich nun die Boutique befindet, Teil einer Bank. Wir haben uns archivierte Zeichnungen angeschaut und die ursprünglichen Volumina und Grundrisse wiederhergestellt, den Raum geöffnet und ihn mit der Außenhülle verbunden", erzählt Ruben Arakelyan.
Den Mittelpunkt bildet eine monolithische Wendeltreppe aus Beton. Schwungvoll dreht sie sich in die Höhe, ist ein Blickfang und schmiegt sich zugleich in ihre Umgebung. Wände, Böden, Decken wirken wie aus einem Guss – alles scheint fließend ineinander überzugehen. Gleichzeitig kreieren die vielen rhythmisch aneinandergereihten Rundbögen einen endlos scheinenden Flur, in dem Kunden/-innen die edlen Kleidungsstücke zur Schau tragen können. Dadurch entsteht das Gefühl, man flaniere an einer Straße entlang, gesäumt von vielen kleinen Geschäften. Verschieden angeordnete Spiegel sorgen darüber hinaus für eine visuelle Erweiterung der Räume, die von oben herab von schwarzen Deckenleuchten ins richtige Licht gerückt werden.
Im ersten und zweiten Stock der edlen Boutique liegen die Anproben für Kunden/-innen, Büros und Nähwerkstätten sowie diverse Ausstellungsräume, in denen die eleganten Designerroben des im Jahr 2012 von der Designerin Rasida Lakoba gegründeten Modelabels wie Kunstwerke präsentiert werden. Jedes dieser Stücke ist handgefertigt – vom klassischen kleinen Schwarzen bis hin zum glitzernden Cocktailkleid.
Unser Ziel war es, einen weitläufigen, universellen Raum zu schaffen, der eine Geschichte erzählt und die Kleidung als Museumsexponate erscheinen lässt. Gleichzeitig sollte er vielseitig nutzbar sein – zum Beispiel für Modenschauen, Ausstellungen und Vorträge.
Architekt Ruben Arakelyan
Bei der Farbgebung der Räumlichkeiten entschieden sich die Architekten für zurückhaltende Töne wie Grau, Anthrazit und Schwarz, um den Kleidungsstücken einen angemessenen Hintergrund zu geben. "Wir wollten nicht, dass Farbe und Kleidung konkurrieren", sagt Ruben Arakelyan. Verschiedene Materialien wie venezianischer Kalkputz, Spiegel, Glas und schwarz lackiertes Metall fügen sich harmonisch in diese Farbpalette, während ihre Materialität für sanfte Unterbrechungen sorgt. Nur die Eingangstür der Boutique, aus schwerem Holz, ist Zeuge der historischen Vergangenheit des Gebäudes und hebt sich bewusst von dem geradlinigen Designkonzept ab – sie lässt die Kunden/-innen in eine neue Welt der Mode eintreten. Speziell hergestellte Metallmedaillons zieren zudem mit immer gleichem Abstand den Boden der Modeboutique und erwecken den Eindruck, man stünde mitten auf einem städtischen Platz – sei es in Paris, London oder Mailand.