Aus einem Guss
Standort Linienstr. 23, 10178 Berlin
Bauherr WEG Linienstr. 23, Berlin
Planung BCO Architekten, Berlin
Ausführung Malermeister Peter Rehberg, Rheinsberg
Lange Zeit befand sich das Grundstück in der Linienstraße im Dornröschenschlaf. Zehn Minuten fußläufig vom Alexanderplatz, im Rücken der Volksbühne, wurde es von der Nachbarschaft als Garten genutzt. Dabei gab es hier ursprünglich schon einmal eine Bebauung. Die überwiegend jüdischen Hausbesitzer wurden jedoch in den 1930er Jahren enteignet und die Gebäude entlang der Straße vollständig abgerissen. Das Grundstück geriet in Vergessenheit, bis es nach der Wende an die rechtmäßigen Erben zurückgeführt wurde.
Mit ihrem Entwurf für ein Mehrfamilienhaus mit Galerie fanden BCO Architekten schließlich interessierte Bauherren als auch die Zustimmung der zuständigen Ämter. Ein massiver Körper, eine Skulptur aus Stein, wurde ins umgebende Grün eingebettet. Seine durchgehende, bis ins Detail konsequent durchgehaltene Farbgebung in Steingrau unterstreicht dabei den Charakter und stellt eine bildhafte Analogie zur geschlossenen, hochgedämmten Hülle des Passivhauses dar. Der von der Gestaltungssatzung vorgegebene Öffnungsanteil der Lochfassade war wichtiger Parameter beim Entwurf und äußert sich in einem dynamischen Zusammenspiel einiger kleiner und weniger sehr großer Öffnungen.
Die fast raumhohen Festverglasungen drehen sich, als Boxen ausgebildet, orthogonal zu den beiden stirnseitigen Brandwänden aus der Fassade und ermöglichen so den Blick vom Innenraum in die Straßenflucht. Jede Wohnungsetage verfügt über eine dieser schaufensterartigen Öffnungen. Ihre genaue Position auf der Fassade leitet sich aus innenräumlichen Gegebenheiten und Erfordernissen ab. „Bezüglich des Energiehaushaltes bedeuten solch große Fensterflächen auf der Südseite auch gut verwertbare, solare Zugewinne“, erläutert Lisa Wameling von BCO Architekten. Dazu „reflektieren die Scheiben die Umgebung und werden so zu ständig wechselnden Bildern des Ortes“.
Im Sommer schützen außenliegende, natürlich ebenfalls in grau gehaltene Rollos vor zu viel Sonneneinstrahlung. In Sockelhöhe fällt ein weiteres Fensterformat ins Auge – ein breites Band dient hier der Belichtung des Ausstellungsraumes im Untergeschoss und erlaubt Einblicke in die Galerie. Durch das Pendant auf der rückseitigen Fassade ist sogar ein Blick durch das Gebäude hindurch in den Garten möglich. Ein Umstand, der die Tragwerksplaner vom Büro DBV vor eine Herausforderung stellte. Die vertikalen Lasten beider Außenwände werden in einen Balken in der Mitte des stützenfreien, fast fünf Meter hohen Raumes umgeleitet. Dass ein großer Teil der Galerie im erhöhten Untergeschoss untergebracht ist, hat auch ganz pragmatische Gründe – der Ausstellungsraum gilt nicht als Vollgeschoss.
Passend zur attraktiven Lage bietet das Gebäude vier großzügige Wohnungen, drei davon als zweigeschossige Maisonettes, eine als Geschosswohnung ausgebildet. Jede verfügt über einen direkt angeschlossenen Außenraum in Form eines Gartens, Balkons oder einer Dachterrasse. Zentrales Element der Wohnungen ist eine Box aus Gipskarton, die als multifunktionales Objekt Küchenzeile, Bäder und bei den Maisonettes die innenliegende Treppe aufnimmt. Die Wohnbereiche fließen als offener Raum um die Box und können mittels Schiebewänden flexibel auf wechselnde Nutzerszenarien reagieren.